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12.01.2004

"Dement" oder "verlogen"? Kritik an Kanzler-Aeusserungen zur Embryonenforschung

Berlin (ALfA). Bundeskanzler Gerhard Schroeder hat die Bio- und Gentechnologie ausdruecklich zum "Innovationsfeld" erklaert und eine neue Debatte ueber die Forschung an embryonalen Stammzellen gefordert. Das melden unter anderem die "Frankfurter Neue Presse" (Ausgabe vom 8. Januar) und die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (Ausgabe vom 7. Januar). Bei der Vorlage der Weimarer Innovations-Leitlinien der SPD habe der Kanzler "Forschungsrestriktionen" in der Biotechnologie beklagt. Das Stammzellgesetz, das der Bundestag fraktionsuebergreifend beschlossen hatte, sei "partiell zu zurueckhaltend", zitieren die Zeitungen Schroeder. Die Debatte ueber die ethischen Grenzen der Bio- und Gentechnologie koenne nicht als abgeschlossen gelten. "Auch in dieser Frage kann man nichts zementieren", so Schroeder. Zuvor hatte Schroeder in einem Interview mit dem Magazin "Spiegel" (Ausgabe vom 5. Januar) erklaert, die Entscheidung ueber das Stammzellgesetz sei Anfang 2002 "unter dem Druck der Gesellschaft" zustande gekommen. Jetzt muesse die Diskussion neu beginnen.

Die Forderungen des Kanzlers sind auf zum Teil heftige Kritik gestossen. Das berichten "Der Tagesspiegel" (Ausgabe vom 8. Januar), die "Sueddeutsche Zeitung", das "Handelsblatt" sowie die "Berliner Morgenpost" (Ausgaben vom 9. Januar). Der Vorsitzende der Enquete-Kommission "Ethik und Recht der modernen Medizin", Rene Roespel (SPD), habe davor gewarnt, eine Liberalisierung der embryonalen Stammzellforschung als Ausweis fuer die Innovationsfaehigkeit des Landes zu betrachten. "Wir brauchen kein neues Stammzellgesetz", zitiert die "Berliner Morgenpost" Roespel. Wer die Debatte wieder aufleben lassen wolle, brauche neue Argumente. "Und die gibt es nicht", so Roespel. Auch Bundesforschungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) hat dem Kanzler widersprochen, so das "Handelsblatt". Das geltende Gesetz stelle fuer die laufende Grundlagenforschung "keine Restriktion" dar, so Bulmahn. Eine Debatte ueber eine Novelle des Stammzellgesetzes sei allenfalls "in einigen Jahren" erforderlich, wenn es um neue Therapien gehe. In dieser Legislaturperiode plane die Bundesregierung keinen Vorstoss fuer mehr Moeglichkeiten in der embryonalen Stammzellforschung, habe die Bundesforschungsministerin betont. Laut der "Sueddeutschen" hat unterdessen der Staatssekretaer im Forschungsministerium, Wolf-Michael Catenhusen, ueber eine "Sonderethik fuers Reagenzglas" gespottet und den grundsaetzlichen Vorrang des Lebensschutzes vor den Forschungs- und Wirtschaftsinteressen eingeklagt.

Auch der Europaabgeordnete Peter Liese (CDU) hat den Kanzler scharf kritisiert. "Eine Lockerung der Regeln zum Umgang mit menschlichen embryonalen Stammzellen waere ein Placebo fuer die Wissenschaft in Deutschland", erklaerte er in einer Pressemitteilung (6. Januar). Schroeder und die SPD versuchten sich forschungsfreundlich zu geben, "aber die Wirkung von Placebos verpufft schnell, wenn es sich um eine wirklich ernste Krankheit handelt", so Liese. Die tatsaechliche Bedeutung der embryonalen Stammzellforschung sei sehr gering und konkrete Erfolge am Patienten seien bisher nirgendwo zu verzeichnen. Mit seiner Aeusserung, die Entscheidung zum Stammzellimport sei unter Druck der Gesellschaft zustande gekommen, widerspreche Schroeder sich selbst. Schroeder habe der jetzt geltenden Kompromissloesung ausdruecklich zugestimmt und nicht fuer den sehr weitgehenden Antrag der CDU-Abgeordneten Hinze und Reiche sowie der FDP-Abgeordneten Flach votiert. Dabei habe er schon vorher eine sehr liberale Position vertreten. Der Kanzler habe also 2001 eine sehr liberale Position vertreten, in 2002 einem relativ restriktiven Gesetz zugestimmt und fordere nun 2004 wieder eine liberale Loesung. "Wenn er zu mir als Patient kaeme, wuerde ich sagen, er leidet an Demenz (die Stoerung der Gehirnfunktion, die mit Vergesslichkeit einhergeht). Aus der politischen Debatte heraus kann ich sein Verhalten aber nur als verlogen bezeichnen", so Liese.

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