Symbolfoto, © Sebastian Ständecke, www.pixelquelle.de Treffen Christlicher Lebensrecht-Gruppen

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24.11.2003

"Alles ganz konfus": Spaemann uebersetzt Zypries

Hamburg (ALfA). Der Philosoph Robert Spaemann hat den Vortrag der Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) vom 29. Oktober 2003 ueber die Entwicklungen in der Embryonenforschung kritisiert. In der "Zeit" (Ausgabe vom 20. November) schreibt Spaemann, die Argumentation der Ministerin halte einer naeheren Betrachtung nicht stand und fuehre in die Irre. Daß Zypries im Zusammenhang mit der Praeimplantationsdiagnostik "ausdruecklich vom Lebensrecht eines Embryos" spreche, dann aber "in Zweifel ziehe, ob dem in vitro erzeugten Embryo so etwas wie Menschenwuerde zukomme", sei unsinnig. "Wenn Frau Zypries menschlichen Embryonen Lebensrecht zuerkennt, dann hat sie ihnen bereits Menschenwuerde zuerkannt, naemlich den Anspruch, von anderen nicht als gegen andere Werte abzuwaegender Wert betrachtet, sondern als Subjekt von Rechten anerkannt zu werden." Bei einem Wesen, das ein Lebensrecht besitzt, komme es dagegen darauf an, "ob dort, wo es um die Existenz eines Wesens geht, die Perspektive dieses Wesens selbst zaehlt, ob es also zur Gemeinschaft der Personen gehoert oder nicht." Ein Mensch koenne freiwillig sein Interesse dem Interesse anderer unterordnen. Nur: "Der Embryo ist noch nicht so weit, sein Leben ?opfern? zu koennen." Keinem Menschen gegenueber koenne man rechtfertigen, dass man versucht habe, "ihn, als er noch von uns abhaengig war, umzubringen."

Kritik aeußert Spaemann auch an der Bestimmung der Menschenwuerde durch die Bundesjustizministerin. Hier wuerde "alles ganz konfus". Zwar nenne Zypries "als unstrittige Minimalbestimmungen dessen, was Menschenwuerde ausmacht", den "Respekt vor dem Eigenwert der Person und jeder individuellen Existenz", fuege dem jedoch "die Moeglichkeit der Eigenverantwortung und der selbstbestimmten Lebensgestaltung" hinzu. Spaemann: "Ich unterstelle der Ministerin nicht, dass sie geistig Behinderten und Altersdementen die Menschenwuerde absprechen will, aber sie tut es natuerlich, wenn sie das tatsaechliche Vorhandensein der genannten Merkmale oder doch deren reales Potenzial als konstitutiv fuer Menschenwuerde bezeichnet." Noch schlimmer sei, wenn die Ministerin meine, dass Menschenwuerde von ihrer Anerkennung abhaengt. "Wessen Menschenwuerde nicht anerkannt und respektiert wird, besitzt also keine." Ob die Ministerin das wirklich sagen wolle, fragt der Philosoph und bietet sich als Uebersetzer an.

Was Zypries sagen wolle, sei, so Spaemann in der "Zeit", "dass zwar der Embryo im Mutterleib Menschenwuerde besitzt, nicht aber der in vitro erzeugte. Und zwar deshalb nicht, weil seine Moeglichkeit, sich ?als Mensch? zu entwickeln, lediglich eine ?abstrakte Moeglichkeit? beziehungsweise eine ?Perspektive? ist." Das sei "seltsam", findet der Philosoph und erinnert daran, "dass die Befuerworter der Straffreiheit oder sogar der Legalitaet der Abtreibung" immer argumentiert haetten, "das Lebensrecht des Foetus koenne wegen dessen unaufloeslicher Symbiose mit der Mutter nicht von deren Bereitschaft, ihn auszutragen, abgeloest betrachtet werden." Nun solle auf einmal "das Umgekehrte" gelten. Da der Embryo sich außerhalb des Mutterleibes befinde, also noch keine Nidation stattgefunden habe, solle er ebenso wenig einen Schutzanspruch besitzen wie der Embryo im Mutterleib vor der Nidation, deren Verhinderung durch die Spirale auch nicht verboten sei.

Im Zusammenhang mit der PID haette die Ministerin geaeußert, dass eine kuenstliche Erzeugung von Embryonen, um sie einer PID unterziehen zu koennen, "erst den Konflikt herbeifuehre, der dann gegebenenfalls zu Lasten des Embryos geloest wird". Dies gelte auch hier. Schließlich bringe erst die Erzeugung in vitro den Embryo "in die unnatuerliche Lage, ohne Mutterleib zu existieren". "Aus der Tatsache", dass der kuenstlich erzeugte Embryo in den ersten Tagen seines Lebens der natuerlichen Bedingungen fuer seine Entwicklung beraubt sei, schließe Zypries, dass er damit das Recht darauf verwirkt habe, diese Bedingungen sobald wie moeglich wieder zu erlangen. Folge man dieser Logik, dann "ergaebe sich ein kompletter Zirkel: Weil die Bedingungen nicht gegeben sind, muessen sie auch nicht gegeben werden."

In seinem "Freiheit der Forschung oder Schutz des Embryos" ueberschriebenen Beitrag kritisiert Spaemann auch die Ansicht Zypries, zwischen dem Lebensrecht des Embryos und dem Grundrecht der Forschungsfreiheit muesse abgewogen werden. Zwar duerften "vorbehaltlose Grundrechte, wie das der Forschungs- oder der Wissenschaftsfreiheit, durch den Gesetzgeber nicht eingeschraenkt werden." Ihre Begrenzung ergebe sich jedoch sozusagen von selbst aus der Achtung vor den Rechten anderer und der Rechtsgemeinschaft. Gebe es ein Lebensrecht des Embryos, "was Frau Zypries auch fuer in vitro erzeugte Foeten zugesteht", dann werde dadurch die Forschungsfreiheit nicht eingeschaenkt, "sondern sie kann sich a priori auf die Verwertung von zu diesem Zweck getoeteten Embryonen nicht erstrecken", so Spaemann.

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