Symbolfoto, © Sebastian Ständecke, www.pixelquelle.de Treffen Christlicher Lebensrecht-Gruppen

Nächste Meldung · Vorige Meldung · Zur Übersicht

23.06.2009

Ende einer langen Debatte:

Deutscher Bundestag beschliesst Gesetz zur Regelung von Patientenverfuegungen

Berlin (ALfA). Am 18. Juni hat sich der Deutsche Bundestages auf eine gesetzliche Regelung von Patientenverfuegungen geeinigt. Er beschloss in dritter Lesung mit einer Mehrheit von 317 Stimmen bei 233 Nein-Stimmen und fuenf Enthaltungen einen Gesetzentwurf der Abgeordneten Joachim Stuenker (SPD), Michael Kauch (FDP) und weiterer Parlamentarier, der die Patientenverfuegung als Rechtsinstitut im Betreuungsrecht verankert. Damit wurde nach gut sechs Jahren Diskussion ueber das Thema nach langjaehriger Uneinigkeit kurz vor Ende der Legislaturperiode ein vorlaeufiger Schlusspunkt in der Debatte gesetzt. Kuenftig werden die Voraussetzungen von Patientenverfuegungen und ihre Bindungswirkung eindeutig im Gesetz bestimmt. Mit einer Patientenverfuegung soll dem Arzt der Wille eines Patienten vermittelt werden, der sich zur Frage seiner medizinischen Behandlung nicht mehr selbst aeussern kann. Das Gesetz bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates und soll nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens am 1. September 2009 in Kraft treten.

Regelungen zu Patientenverfuegungen im Einzelnen

Laut dem verabschiedeten Gesetzentwurf (Drucksache 16/8442) sind kuenftig Betreuer und Bevollmaechtigter im Fall der Entscheidungsunfaehigkeit des Betroffenen an seine schriftliche Patientenverfuegung gebunden. Sie muessen pruefen, ob die Festlegungen in der Patientenverfuegung der aktuellen Lebens- und Behandlungssituation entsprechen und den Willen des Betroffenen zur Geltung bringen. Eine Reichweitenbegrenzung, die den Patientenwillen kraft Gesetzes in bestimmten Faellen fuer unbeachtlich erklaert, wird es nicht geben, d.h. sie gelten unabhaengig vom Stadium der Erkrankung. Dies gilt auch, wenn der Patient, der sich nicht mehr aeussern kann, in der Verfuegung die Einstellung lebenserhaltender medizinischer Massnahmen gefordert hat. Festlegungen in einer Patientenverfuegung, die auf eine verbotene Toetung auf Verlangen gerichtet sind, bleiben jedoch unwirksam.

Patientenverfuegungen koennen jederzeit formlos widerrufen werden. Niemand ist gezwungen, eine Patientenverfuegung zu verfassen. Gibt es keine Verfuegung oder treffen die Festlegungen nicht die aktuelle Situation, muss der Betreuer oder Bevollmaechtigte unter Beachtung des mutmasslichen Patientenwillens entscheiden, ob er in die Untersuchung, die Heilbehandlung oder den aerztlichen Eingriff einwilligt. Die Entscheidung ueber die Durchfuehrung einer aerztlichen Massnahme wird im Dialog zwischen Arzt und Betreuer bzw. Bevollmaechtigtem vorbereitet. Der behandelnde Arzt prueft, was medizinisch indiziert ist und eroertert die Massnahme mit dem Betreuer oder Bevollmaechtigten, moeglichst unter Einbeziehung naher Angehoeriger und sonstiger Vertrauenspersonen. Sind sich Arzt und Betreuer bzw. Bevollmaechtigter ueber den Patientenwillen einig, bedarf es keiner Einbindung des Vormundschaftsgerichts. Bestehen hingegen Meinungsverschiedenheiten, muessen folgenschwere Entscheidungen vom Vormundschaftsgericht genehmigt werden.

Das Abstimmungsverfahren

Vorangegangen war der endgueltigen Entscheidung ueber eine Neuregelung zunaechst eine 100minuetige Debatte in der noch einmal alle Rednerinnen und Redner ihre Argumente vortrugen und um Unterstuetzung fuer die einzelnen Gesetzentwuerfe warben. Danach folgte als erstes eine nicht namentliche Abstimmung ueber einen Antrag der Abgeordneten Hubert Hueppe, Beatrix Philipp, Prof. Dr. Norbert Lammert (alle CDU/CSU) und weiterer Abgeordneter (Drucksache 16/13262), die darin forderten, eine gesetzliche Ueberregulierung der Patientenverfuegung zu vermeiden und kein Gesetz zu beschliessen. Dieser Antrag wurde mehrheitlich abgelehnt. Damit wurde der Weg fuer eine namentliche Abstimmung ueber die vorliegenden Gesetzentwuerfe frei gemacht. Anschliessend wurde in einer Geschaeftsordnungsabstimmung per Stimmzettelverfahren ueber die Abstimmungsreihenfolge der insgesamt drei vorliegenden Gesetzentwuerfe entschieden, nachdem hierueber bis zuletzt Uneinigkeit herrschte, die Reihenfolge jedoch Auswirkungen auf das Abstimmungsergebnis haben wuerde. Wegen diesen Differenzen wurde die gesamte Abstimmung bereits Ende Mai von der Tagesordnung gestrichen (siehe ALfA-Newsletter 21/09 vom 30.05.2009). Mit 309 zu 258 Stimmen entschieden sich die Abgeordneten nun, erst ueber den Entwurf von Zoeller, dann von Bosbach, und zuletzt den von Stuenker abzustimmen.

Der Entwurf der Unionsabgeordneten Wolfgang Zoeller und Dr. Hans Georg Faust (Drucksachen 16/11493 und 16/13314) hatte neben schriftlichen auch muendlich geaeusserte Erklaerungen als Patientenverfuegungen gelten lassen wollen. Doch musste in beiden Faellen immer der aktuelle Patientenwille von Arzt und Betreuer oder Bevollmaechtigtem individuell ermittelt werden. Fuer den Gesetzentwurf stimmten 77 Abgeordnete, 486 waren dagegen und acht enthielten sich. Damit wurde der Text in zweiter Beratung abgelehnt. Der Entwurf einer Gruppe um den Abgeordneten Wolfang Bosbach (CDU/CSU) (Drucksache 16/11360) hatte strengere formale Bedingungen fuer eine Patientenverfuegung vorgesehen. Dazu gehoerte unter anderem eine vorangehende umfassende aerztliche Beratung. Er wurde mit 220 Ja-Stimmen zu 344-Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen in zweiter Beratung ebenfalls abgelehnt.

Bei der namentlichen Abstimmung ueber den Gesetzentwurf "Drittes Gesetz zur Aenderung des Betreuungsrechts" der Abgeordneten Joachim Stuenker und Michael Kauch (Drucksachen 16/8442 und 16/13314) stimmten 320 Abgeordnete mit Ja, 241 mit Nein, fuenf enthielten sich. Damit wurde der Text in zweiter Beratung angenommen. Dieser Entwurf kam damit in die dritte Lesung, wurde auch hier erwartungsgemaess angenommen und wird damit nun Gesetz. Wie die Abstimmungen innerhalb der Fraktionen konkret aussahen, findet sich in den Abstimmungslisten des Bundestages sowie im ausfuehrlichen Kommentar von Stefan Rehder in einem Artikel in der der Tagespost vom 20. Juni (siehe unten).

Ende einer langen Diskussion

Ueber eine gesetzliche Verankerung der Patientenverfuegung wurde seit langem diskutiert. Bereits im Jahr 2004 hatte das Bundesministerium der Justiz einen Referentenentwurf fuer eine gesetzliche Regelung vorgelegt. Da die Abgeordneten des Deutschen Bundestages dieses wichtige Thema jedoch ohne die Bindung an Fraktionsgrenzen beraten wollten, hatte die Bundesregierung auf einen eigenen Gesetzentwurf verzichtet und Bundesjustizministerin Zypries den Entwurf zurueckgezogen. Zuletzt waren die Fronten zwischen den einzelnen Gruppen mit ihren jeweiligen Vorschlaegen jedoch so verhaertet, dass eine Einigung kaum in Sicht schien. Bis zuletzt feilten die Abgeordneten schliesslich an ihren Gesetzentwuerfen und Aenderungsantraegen und kamen nun zu dem verabschiedeten Kompromiss. Eine Bewertung dieses Kompromisses gibt es im naechsten Bericht.


Weitere Informationen:

Namentliche Abstimmungsergebnisse ueber Patientenverfuegung auf der Webseite des Bundestages mit allen zugehoerigen Drucksachen http://www.bundestag.de/aktuell/archiv/2009/248085 27_kw25_patientenverfuegung/namabst.html

ZDF-Parlameter mit den Abstimmungsergebnissen aller Abgeordneten inklusive umfangreicher Filterfunktion wie Bundeslaender, Alter, Geschlecht, Kinderanzahl, Status etc.
http://www.zdf.de/ZDFmediathek/content/584336?inPo pup=true

"Lebensschutz, nein danke"
Von Stefan Rehder
Diesem Parlament ist nicht mehr zu helfen. Alle hatten sie die Abgeordneten gewarnt, besser kein Gesetz zu beschliessen als ein schlechtes DIE TAGESPOST 20.06.09
http://www.die-tagespost.de/2008/index.php?option= com_content&task=view&id=100049453&Itemid=5

Eklat ueber Abstimmungsreihenfolge: Debatte und Schlussabstimmung ueber Patientenverfuegungsgesetz verschoben ALfA-Newsletter 21/09 vom 30.05.2009 http://www.alfa-ev.de/aktuelles/archiv-anzeige/art icle/alfa-newsletter-2109-vom-30052009/?tx_ttnews% 5BbackPid%5D=22&cHash=07f7c8f64b

Nächste Meldung · Vorige Meldung · Zur Übersicht


Die Meldungen sind teilweise Pressemitteilungen und Newslettern von Partnerorganisationen entnommen. Das Meldungs-Datum bezeichnet den Tag der Aufnahme auf diese Webseite.