Symbolfoto, © Sebastian Ständecke, www.pixelquelle.de Treffen Christlicher Lebensrecht-Gruppen

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18.05.2009

Debatte um Spaetabtreibungen vorläufig beendet:

Bundestag beschliesst erweiterte Beratungspflicht und drei Tage Bedenkzeit

Berlin / Koeln (ALfA). Die langjaehrige Debatte um eine Verbesserung der Situation bei Spaetabtreibungen ist vorlaeufig beendet. Nachdem bereits in der letzten Legislaturperiode Einigungsversuche zwischen den Regierungsparteien regelmaessig gescheitert waren, stimmten die Abgeordneten des Deutschen Bundestages am 13. Mai nach einer vorangegangenen kontroversen eineinhalbstuendigen Debatte im Plenum abschliessend mehrheitlich fuer eine Aenderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes. Kuenftig gibt es damit eine erweiterte Beratungspflicht fuer Aerzte und drei Tage Bedenkzeit vor einer Spaetabtreibung. Als Spaetabtreibungen werden Schwangerschaftsabbrueche nach der 22. Woche bezeichnet. Laut offiziellen Zahlen waren dies vergangenes Jahr 231 Faelle, wobei Kritikern zufolge die Dunkelziffer wesentlich hoeher liegen duerfte. Grund fuer eine Spaetabtreibung ist meist eine festgestellte Behinderung des ungeborenen Kindes. Die bestehende Regelung zum Schwangerschaftsabbruch nach so genannter "medizinischer Indikation" ist nicht fristgebunden und erlaubt vorgeburtliche Kindstoetungen auch dann noch, wenn das Kind ausserhalb des Mutterleibes lebensfaehig waere.

Abstimmung ueber erweiterte Beratungspflicht und drei Tage Bedenkzeit

Bei den namentlichen Abstimmungen, fuer die der Fraktionszwang zuvor aufgehoben wurde, standen zwei Positionen hinsichtlich Beratung und Bedenkzeit vor einer moeglichen Spaetabtreibung gegenueber. Dabei setzte sich am Ende ein Gesetzentwurf durch, der aus den drei Vorlagen der Abgeordnetengruppen um die Abgeordneten Johannes Singhammer (CSU), Kerstin Griese (SPD), Katrin Goering-Eckardt (Buendnis 90 / Die Gruenen) und Ina Lenke (FDP) zusammengefasst wurde. Der Gesetzentwurf wurde mit 326 Ja-Stimmen bei 234 Nein-Stimmen und ohne Enthaltungen angenommen. Abwesend waren 52 Abgeordnete. Dieser Entwurf sieht vor, dass der Arzt, der einer Schwangeren mitteilt, dass ihr Kind laut Ergebnis vorgeburtlicher Untersuchungen vermutlich behindert sein wird, kuenftig verpflichtet ist, die Schwangere ueber alle Aspekte der Gesundheitsschaedigung zu beraten. Er soll dabei Aerzte hinzuziehen, die auf die Behinderungen bei geborenen Kindern spezialisiert sind. Der Arzt soll die werdende Mutter dabei auf ihr Recht auf eine vertiefende psychosoziale Beratung informieren. Zwischen Diagnose und der schriftlichen Feststellung, dass die Voraussetzungen fuer einen Schwangerschaftsabbruch gegeben sind, muessen mindestens drei Tage liegen. Bei Zuwiderhandlungen des Arztes droht ihm ein Bussgeld in Hoehe von 5.000 Euro. Des weiteren hat die Bundeszentrale fuer gesundheitliche Aufklaerung Informationsmaterialien zum Leben mit behinderten Kindern, inklusive Kontaktadressen zu Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen, zu erstellen, die vom Arzt ausgehaendigt werden muessen. Kerstin Griese betonte in ihrer Rede, mit den Neuregelungen nehme man nicht die Frauen, sondern die Aerzte in die Pflicht. Den Schwangeren wuerden dagegen mehr Rechte gegeben.

Ein Gesetzentwurf einer Gruppe um die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Christel Humme und Irmingard Schewe-Gerigk (Buendnis 90/Die Gruenen) und anderen Abgeordneten, ueber den als erstes abgestimmt wurde, fand dagegen keine Mehrheit. Dieser Entwurf sah zwar eine bessere Beratung der Frau vor vorgeburtlichen Untersuchungen vor, verzichtete jedoch auf substanzielle Aenderungen der Gesetzeslage.

Abstimmung ueber Ausweitung der Statistik

Trotz langwierigen intensiven Verhandlungen bis zuletzt war es den Gruppen um Singhammer und Humme nicht gelungen, sich auf eine gemeinsame Linie in Bezug auf eine Beratungspflicht und die Bedenkzeit vor Spaetabbruechen zu einigen. Lediglich mit den anderen Gruppen gelang der nun mehrheitlich angenommene Kompromiss. Ein Knackpunkt bei den Verhandlungen war die Forderung der Union nach einer Ausweitung der Bundesstatistik ueber Spaetabtreibungen. Hiergegen hatten vor allem SPD und Gruene sowie Linke aus datenschutzrechtlichen Gruenden erhebliche Bedenken. Daher wurde hierueber, wie vom Familienausschuss empfohlen, schliesslich getrennt abgestimmt. Dabei wurde in zweiter Lesung mit 301 Nein-Stimmen bei 255 Ja-Stimmen und drei Enthaltungen eine Ausweitung der Statistik mehrheitlich abgelehnt. Abgelehnt wurde auch ein Antrag der Gruppe um die Abgeordnete Kirsten Tackmann von der Linksfraktion, der eine Gesetzesaenderung als ueberfluessig erachtete und lediglich vorsah, das Selbstbestimmungsrecht von Frauen im Falle eines Schwangerschaftskonflikts zu staerken. Dieser Antrag wurde erwartungsgemaess klar mit 501 Nein-Stimmen bei 47 Ja-Stimmen und elf Enthaltungen abgelehnt. Zustimmung fand dagegen ein Antrag von Parlamentariern um die SPD-Abgeordnete Humme, in dem sich Abgeordnete der SPD, von Buendnis 90/Die Gruenen und der FDP fuer eine Ueberarbeitung der Mutterschaftsrichtlinien und des Mutterpasses einsetzen, sowie eine Verbesserung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen. Diesen Antrag befuerworteten 463 Abgeordnete, 62 lehnten ihn ab, 33 enthielten sich.

Ergebnisse der namentlichen Abstimmungen nach Fraktionszugehoerigkeit

Interessant ist das Abstimmungsergebnis im Hinblick auf eine Aufteilung nach Fraktionszugehoerigkeit der bei der Abstimmung anwesenden Abgeordneten, auch wenn der Fraktionszwang aufgehoben wurde und sie letztlich nur ihrem Gewissen unterlagen.

Bei der Entscheidung ueber eine Beratungspflicht und drei Tage Bedenkzeit vor einer Spaetabtreibung stimmten in der dritten Lesung alle 215 anwesenden Abgeordneten der CDU/CSU-Fraktion dem Gesetzentwurf zu, nur einer war dagegen, sieben Abgeordnete waren abwesend. Bei der SPD war das Abstimmungsergebnis eher durchmischt. Hier stimmten 146 Abgeordnete dagegen, 54 befuerworteten eine Beratungspflicht und eine Drei-Tages-Frist. Allerdings waren bei der SPD-Fraktion bei der Abstimmung 22 Abgeordnete abwesend. Bei der FDP waren 42 dafuer, 11 dagegen und acht abwesend. Die anwesenden 45 Abgeordneten der Linksfraktion waren ausnahmslos dagegen, acht waren abwesend. Die Linke stimmte allerdings zuvor auch schon geschlossen gegen den Humme-Gesetzentwurf. Mit beiden solle "der Kompromiss zum Schwangerschaftsabbruchsrecht von 1995 aufgekuendigt werden", sagte die Linke-Abgeordnete Kirsten Tackmann. Auch das urspruengliche Gesetz sehe Beratungen vor, das Problem sei allerdings die Umsetzung. Die erforderlichen Beratungsangebote seien derzeit weder kostenfrei zu erhalten noch flaechendeckend erreichbar. Eine Beratungspflicht mit Strafandrohung gegen die Aerzteschaft zu beschliessen, sei daher "scheinheilig". Auch bei den Gruenen votierten die Abgeordneten mehrheitlich mit 30 zu 15 Stimmen gegen diesen Gesetzentwurf, waehrend sechs Abgeordnete abwesend waren. Ein anwesender fraktionsloser Abgeordneter, der ebenfalls dagegen war, fiel statistisch hier kaum noch ins Gewicht.

Bei der Entscheidung ueber eine Ausweitung der statistischen Erfassung stimmten 212 der anwesenden Abgeordneten der CDU/CSU-Fraktion dafuer, nur zwei waren dagegen. Bei der SPD war dies genau umgekehrt. 192 der anwesenden SPD-Abgeordneten stimmten dagegen, neun befuerworteten eine Ausweitung der Statistik. Bei der FDP waren 28 dafuer und 22 dagegen, zwei enthielten sich. Die 46 anwesenden Abgeordneten der Linksfraktion waren auch hier ausnahmslos dagegen. Auch bei den Gruenen votierten die anwesenden Abgeordneten mehrheitlich mit 38 zu sechs Stimmen gegen mehr statistische Informationen. Ein anwesender fraktionsloser Abgeordneter war ebenfalls dagegen.

Ausfuehrliche Informationen zur Bundestagsdebatte mit allen zugehoerigen Dokumenten und eigenen Listen zum Abstimmungsverhalten der einzelnen Abgeordneten gibt es auf der Webseite des Bundestages. Dort kann mittlerweile auch ein Audio-Mitschnitt der Plenardebatte abgerufen werden, nachdem die direkte Live-Uebertragung im Internet zeitweise ohne Ton und nur mit Bild war. Eine sehr interessante interaktive Aufbereitung von namentlichen Abstimmungsergebnissen im Deutschen Bundestag hierzu und auch zu vorangegangenen Debatten, z.B. ueber die Liberalisierung des Stammzellengesetzes vergangenes Jahr, bietet das ZDF in seinem preisgekroenten "ZDF-Parlameter". Hier koennen Abstimmungsergebnisse nicht nur nach Bundeslaendern gefiltert und ausgewertet werden sondern auch nach Geschlecht, Familienstand, Anzahl der Kinder, Alter und Nebentaetigkeit. Dies ist durchaus lohnenswert im Hinblick auf die anstehende Bundestagswahl im September.


Weitere Informationen:

Plenarprotokoll der 221. Sitzung von Mittwoch, dem 13. Mai 2009 im Deutschen Bundestag imPDF-Format Dort Tagesordnungspunkt 3 a und 3b sowie die zugehoerigen Anhaenge http://www.bundestag.de/bic/plenarprotokolle/pp_pd f/16221.pdf

Ausfuehrliche Informationen beim Deutschen Bundestag zur Debatte ueber Spaetabtreibungen Mit allen zugehoerigen Dokumenten und Abstimmungsverhalten der einzelnen Abgeordneten bei den namentlichen Abstimmungen http://www.bundestag.de/aktuell/archiv/2009/243984 77_kw20_schwangerschaft/index.html

ZDF-Parlameter mit interaktiver Darstellung aller namentlichen Bundestagsabstimmungen und umfangreichen Filterfunktionen http://www.zdf.de/ZDFmediathek/content/584336?inPo pup=true

Debatte um Spaetabtreibungen: Schlussabstimmung im Deutschen Bundestag am 13. Mai ALfA-Newsletter 18/09 vom 09.05.2009 http://www.alfa-ev.de/aktuelles/archiv-anzeige/art icle/alfa-newsletter-1809-vom-09052009/?tx_ttnews% 5BbackPid%5D=22&cHash=93ac350b6f

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