Symbolfoto, © Sebastian Ständecke, www.pixelquelle.de Treffen Christlicher Lebensrecht-Gruppen

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14.04.2008

Entschieden: Bundestagsabgeordnete mehrheitlich für Stichtagsverschiebung im Stammzellgesetz

Berlin (ALfA). Der Stichtag im Stammzellgesetz wird verschoben auf Mai 2007. Dies beschlossen die Abgeordneten des Deutschen Bundestages am 11. April. Voran ging eine kontrovers gefuehrte zweistuendige Debatte, in der insgesamt 21 Redner fuer ihre Antraege warben. Die anschliessende Abstimmungen in zweiter und dritter Lesung ueber vier fraktionsuebergreifende Gesetzentwuerfe und ein Antrag erfolgten namentlich bei aufgehobenem Fraktionszwang.

Als erstes folgte der Antrag der Abgeordneten Ulrike Flach (FDP), Katherina Reiche (CDU/CSU) und Rolf Stoeckel (SPD), der eine Abschaffung des Stichtages forderte. Insgesamt wurden 579 Stimmen abgegeben, davon 126 Ja-Stimmen, 443 Nein-Stimmen und 10 Enthaltungen. Damit war der Antrag abgelehnt. Ebenfalls abgelehnt wurde danach in zweiter Lesung der Antrag der CDU/CSU-Abgeordneten Hubert Hueppe, Marie-Luise Doett, Maria Eichhorn. Sie hatten ein Verbot der Stammzellforschung gefordert. Auf diesen Antrag kamen bei 576 abgegebenen Stimmen 118 Ja-Stimmen, 442 Nein-Stimmen und 16 Enthaltungen und war damit ebenfalls abgelehnt. Nachdem keiner der beiden Antraege die Mehrheit erhielt, folgte der Antrag von René Roespel (SPD), Ilse Aigner (CDU/CSU) und Joerg Tauss (SPD), der eine einmalige Stichtagsverschiebung auf den 1. Mai 2007 vorsieht. Bei diesem Antrag wurden insgesamt 580 Stimmen abgegeben, davon 346-Ja-Stimmen, 228 Nein-Stimmen und 6 Enthaltungen. Damit wurde er mehrheitlich angenommen. Eine Abstimmung ueber den Antrag der Abgeordneten Priska Hinz (BUENDNIS 90/DIE GRUENEN), Julia Kloeckner (CDU/CSU), Herta Daeubler-Gmelin (SPD), der die Straffreiheit von Forschern, die an auslaendischen Forschungsvorhaben teilnehmen, sowie die Beibehaltung des Stichtags befuerwortete, entfiel somit. In der unmittelbaren dritten Lesung, der Schlussabstimmung per Handzeichen, wurde der Roespel-Antrag ebenfalls mehrheitlich angenommen. Damit wird der bisherige Stichtag fuer die Forschung mit embryonalen Stammzellen einmalig von 1. Januar 2002 auf den 1. Mai 2007 verschoben.

Abstimmungsergebnisse nach Parteien

Interessant ist die Auswertung der Abstimmung ueber den mehrheitlich angenommenen Antrag fuer eine Stichtagsverschiebung unter Parteigesichtspunkten. Von den anwesenden Abgeordneten der CDU/CSU stimmten 102 oder 47,22% mit Ja gegenueber 113 bzw. 52,31 %, die den Antrag ablehnten, bei einer Enthaltung. Im Jahr 2002 bei der Verabschiedung des Stammzellgesetzes stimmten noch gut 60 % der Unionsabgeordneten gegen die Erlaubnis eines Stammzell-Imports unter Auflagen. Bei der SPD stimmten aktuell 169 oder 81,25 % der anwesenden Abgeordneten mit Ja gegenueber 37 Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen. 2002 waren es nur knapp 70% der SPD-Abgeordneten, die eine Importerlaubnis befuerworteten.

Bemerkenswert ist das Abstimmungsverhalten der Abgeordneten von Buendnis 90 / Die Gruenen. Hier stimmten 48 Abgeordnete, d. h. 98 % gegen eine Stichtagsverschiebung, waehrend nur eine Abgeordnete diese befuerwortete. Enthaltungen gab es keine. 2002 waren nur knapp 65 % der Gruenen gegen eine Importerlaubnis. Erwartungsgemaess relativ einheitlich stimmten auch die Abgeordneten der FDP-Fraktion ab. Hier stimmten 52 Abgeordnete, d.h. 89,65 %, fuer eine Stichtagsverschiebung. Bemerkenswert sind die fuenf Abgeordneten, bzw. 8,62 %, die dies ablehnten. Enthaltungen gab es hier nur eine. Im Jahr 2002 hatte die FDP noch mit 97,5-prozentiger Geschlossenheit fuer eine Importerlaubnis in Ausnahmefaellen gestimmt, waehrend ein Abgeordneter dies ablehnte. Bei der Links-Fraktion sah es aehnlich aus wie bei der CDU/CSU-Fraktion. Hier stimmten 21 anwesende Abgeordnete, d.h. 43,75 %, mit Ja, gegenueber 25 Abgeordneten bzw. 52,08%, die eine Stichtagsverschiebung ebenfalls ablehnten. Enthaltungen gab es zwei, dies entspricht 4,17 %. Bei der damaligen PDS waren 2002 noch knapp 60 % gegen eine Importerlaubnis fuer die Einfuhr embryonaler Stammzellen.

Lob und Kritik fuer den Bundestagsbeschluss

Von Seiten der Forscher wurde der Beschluss zur Stichtags-Verschiebung einhellig begruesst. Ebenso von Forschungsministerin Schavan (CDU), die sich massiv in ihrer Fraktion fuer eine Stichtagsverschiebung eingesetzt hatte. Kirchenvertreter zeigten sich dagegen sehr enttaeuscht ueber den Ausgang der Abstimmung. Ebenso die Parlamentarier, die bis zuletzt fuer einen Erhalt der Stichtagsregelung gekaempft hatten. Auch unter christlichen Lebensschuetzern stiess das Ergebnis auf Kritik. Der Generalsekretaer der Deutschen Evangelischen Allianz, Hartmut Steeb, bedauerte laut der evangelischen Nachrichtenagentur idea ( http://www.idea.de ) die Entscheidung des Bundestags. Sie habe Forschungs- und Wirtschaftsinteressen ueber den Schutz der Menschenwuerde gestellt. Das sei ein weiterer Schritt in Richtung "Oekonomisierung der Gesellschaft", sagte Steeb gegenueber idea. Wer den Stichtag einmal verschiebe, werde in drei Jahren auch kein Problem damit haben, ihn ein weiteres Mal zu verschieben. Einen Grund fuer das Ergebnis bei der Abstimmung im Bundestag sieht Steeb laut der Nachrichtenagentur in der Uneinigkeit fuehrender evangelischer Kirchenvertreter. "Haetten wir Evangelischen in dieser Frage so zusammengestanden wie die katholische Kirche, waere die Abstimmung vielleicht anders ausgegangen", ist Steeb ueberzeugt. Die Bundesvorsitzende der Christdemokraten fuer das Leben (CDL), Mechthild Loehr, sprach in einer Pressemitteilung von einem "schwarzen Freitag fuer den Embryonenschutz" in Deutschland. Die Bundesvorsitzende der Aktion Lebensrecht fuer Alle (ALfA), Claudia Kaminski, erklaerte gegenueber idea, die Entscheidung zeige, dass auch die letzten Bastionen des Lebensschutzes in Deutschland gekippt werden sollten. Sie rief Christen dazu auf, zu ueberpruefen, welcher Abgeordnete in der namentlichen Abstimmung fuer bzw. gegen eine Verschiebung des Stichtages gestimmt habe. "Daran koennen sich Christen dann orientieren, ob ein Politiker waehlbar ist oder nicht." Vertreter der ALfA hatten am Abstimmungstag vormittags in der Naehe des Bundestages in Berlin eine Mahnwache abgehalten.

Fuer Anfang der Woche hat Christian Frodl von der nteressenGemeinschaft Kritische Bioethik Bayern eine Infoschrift, aehnlich wie zur Stammzell-Abstimmung 2002, mit einer umfassenden Auswertung der aktuellen Abstimmungsergebnisse mit prozentualer Aufschluesselung nach Parteien und Auswertung nach Bundeslaendern angekuendigt. Diese Broschuere wird ab Montagabend, 14. April, auf dem Infoportal zur Stammzellendebatte unter http://www.stammzellen-debatte.de abrufbar sein.


Weitere Informationen:

Ausfuehrliche Informationen und Ergebnisse der namentlichen Abstimmung auf der Webseite des Bundestages
http://www.bundestag.de/aktuell/archiv/2008/200997 24_kw15_stammzellgesetz/index.html

http://www.stammzellen-debatte.de/stammzellen_pres se_april08.html
Auf dem Infoportal der InteressenGemeinschaft Kritische Bioethik Deutschland zur Stammzellen-Debatte finden Sie in einem Online-Pressespiegel eine umfassende Zusammenstellung ausgewaehlter Berichte zur Abstimmung. Diese Rubrik wird staendig weiter ergaenzt.

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