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17.01.2008

Die unantastbare Würde des Menschen gibt es nur brutto

Hartmut Steeb im Rahmen der Pressekonferenz des Bundesverban Lebensrecht zur Diskussion um eine mögliche Verschiebung des im Stammzellgesetz genannten Stichtags

17. Januar 2008


Meine sehr geehrten Damen und Herren,

es kommt, wie es kommen musste. Das vor knapp 6 Jahren verabschiedete „Gesetz zur Sicherstellung des Embryonenschutzes im Zusammenhang mit Einfuhr und Verwendung menschlicher embryonaler Stammzellen (Stammzellgesetz – StZG)“ war schon in der Überschrift irreführend. Denn es war keine „Sicherstellung des Embryonenschutzes“ sondern seine Aufweichung. Denn was durch das 1990 verabschiedete und wohl weltbeste Embryonenschutzgesetz eigentlich verboten ist, sollte plötzlich in gewissen Grenzen als erlaubt gelten, nämlich die fremdnützige Forschung an Embryonen, an ungeborenen Kindern, durch die Einfuhr und die Verwendung ihrer Stammzellen. Vor diesem Gesetz war dies durch das Embryonenschutzgesetz verboten, das sich streng an der Vorgabe für alle menschlichen Grundrechte orientiert: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Und bis heute ist mit gutem Recht deshalb auch die Herstellung embryonaler Stammzelllinien in Deutschland verboten.

Die Bundesregierung hatte anlässlich der Verabschiedung des Stammzellgesetz 2002 erklärt, Zweck des Gesetzes sei es „die Menschenwürde und das Recht auf Leben zu schützen und zugleich die Freiheit der Forschung zu gewährleisten.“ Dem war schon damals entgegenzuhalten, dass man sich zwischen diesen beiden hohen Freiheitsgütern, Menschenwürde und Recht auf Leben einerseits und Forschungsfreiheit andererseits, im Zweifel für die Menschenwürde und das Recht auf Leben entscheiden muss. Der Versuch, beides gleichrangig zu werten und mit dem Stammzellgesetz in einem Bereich sogar der Forschungsfreiheit höhere Priorität zu geben, schnitt ein tiefes Loch in den Rechtsschutzzaun des Embryonenschutzes. Auch wenn der Riss nur gering erschien, weil bewusst nur bereits erstellte Stammzelllinien zur Einfuhr und Verwendung erlaubt waren, ist jetzt klar geworden, dass sich jene, die diesen Riss wollten, auf Dauer mit dem mühsamen kleinen Durchgang nicht zufrieden geben würden. Nach einer nur sehr kleinen Verschnaufpause soll nach deren Willen jetzt der Schutzzaun weiter geöffnet werden. Die wirklich Konsequenten geben zu, dass sie ihn gleich ganz abbauen wollen.

Dass der Verzicht auf unbedingten Lebensschutz auch 2002 schon mit der Hoffnung verbunden war, neue Medikamente und Heilverfahren für bisher unheilbare Krankheiten entwickeln zu können, hätte in dieser Abwägung von Rechtspositionen ohnehin keine Rolle spielen dürfen. Aber es hat sich nun auch noch zusätzlich in den sechs Jahren gezeigt, dass solche Heilungsaussichten unhaltbare Versprechungen sind und Vertröstungen auf den Sankt-Nimmerleins-Tag. Dass solches mit einer behaupteten „Ethik des Heilens“ begründet wird, ist ein Ausdruck großer Menschenverachtung. „Ethik des Heilens“ darf nicht benannt werden, was zuvor den Tod menschlichen Lebens fördert, fordert oder in Kauf nimmt. Menschliches Leben darf nicht für anderes menschliches Leben geopfert werden.

Es gehört zu den unbestrittenen Errungenschaften jeder humanen Gemeinschaft, dass das menschliche Miteinander nicht vom Recht des Stärkeren gegenüber dem Schwächeren geprägt sein darf. Deshalb muss es ein vorrangiges Rechtsprinzip in einer auch zukünftig lebenswerten Gesellschaft sein, dass der Staat den Schwächeren gegebenenfalls auch mit den Mitteln des Strafrechts schützt.
Die schwächsten Menschen in unserer Gesellschaft sind die gezeugten, aber noch nicht geborenen. Wenn wir uns selbst ernst nehmen in der Hochachtung des Wertes jedes Menschen, dann haben auch schon früheste Embryonen volle Menschenwürde und Anspruch auf den uneingeschränkten Schutz staatlicher Gemeinschaft.


Darum ist den vorgebrachten Argumenten, die jetzt einer Verschiebung des Stichtags für die Einfuhr von Stammzellen Bahn brechen wollen, unmissverständlich zu widerstehen. Wenn etwa sinngemäß gesagt wird, dass

- die zur Forschung anstehenden Embryonen ohnehin nicht mehr zur
weiteren Ausreifung als Menschen zur Verfügung stehen:
Das ist nur insoweit richtig, wenn man ausschließt, dass sie als Alternative zur Tötung auch von Frauen adoptiert und ausgetragen werden könnten.
- sie ja bereits getötet seien und die Stammzelllinien ohnehin Verwendung fänden, nur nicht von uns hier in Deutschland:
Wer unrechtmäßig Getötete zu Forschungszwecken nutzt, ist nicht besser als jener, der durch die Tötung die Voraussetzungen schafft. Im Strafrecht gilt mit gutem Recht „der Hehler ist nicht besser als der Stehler“.
- die Stammzelllinien zu alt seien:
Wer dies sagt, offenbart nur, dass er vor sechs Jahren bewusst nicht weit denken wollte und klar war, dass er eines Tages für die Verschiebung des Stichtages eintreten würde. Denn nichts war so vorhersehbar wie dieses. Zugleich macht diese Argumentation doch auch dem Letzten deutlich, dass es im Falle einer Stichtagsverschiebung in diesem Jahr in wenigen Jahren erneut zur gleichen Forderung kommen wird. Ich danke der Bundesforschungsministerin, dass sie dieses vor kurzem ehrlicherweise auch nicht mehr ausgeschlossen hat.
- wir den internationalen Anschluss an die Forschung verlieren könnten:
Zum einen ist diese Annahme durch nichts zu rechtfertigen, weil es auf diesem Gebiet ohnehin nichts zu verlieren gilt. Zum zweiten verlieren wir höchstens unsere Spitzenstellung in der unbedenklichen Forschung an adulten Stammzellen, weil wir durch das Hinken auf zwei Seiten Forschungsenergie und Forschungsgelder in die falschen Kanäle pumpen. Noch gewichtiger ist mir aber, dass die Frage, ob man an der Spitze steht, keine ethische Relevanz hat und auf dem Weg dorthin keine Menschenrechte gekappt werden dürfen.
- die Anderen es ohnehin tun:
Diese aus höchstem Politikermund gehörte Argumentation ist im Hinblick auf den Menschenrechtsschutz gerade zu sicherheitsgefährdend. Was andere tun, kann nicht der Maßstab für unser Tun sein. Sonst könnte alles Unrecht durch Verweis auf Andere gerechtfertigt werden.


2002 kam das Gesetz bekanntermaßen nur zustande, weil auch jene zugestimmt haben, die eine viel größere Freiheit der Forschung wollten. Dieses Gesetz muss auf den Prüfstand. Es hat keine positiven Wirkungen in Deutschland verbreitet. Nach sechs Jahren ist deutlich, dass es gescheitert ist. Darum wäre die richtige Konsequenz, das Gesetz aufzulösen und Forschung an Embryonen und embryonalen Stammzellen ohne Ausnahme zu verbieten. Das wäre auch wirtschaftlich sinnvoll. Man muss nicht Prophet sein, um sich ausdenken zu können, das sich bei einer Stichtagsverschiebung die aufgemachte Diskussion wiederholen werden und „folgerichtig“ danach in immer schnelleren Perioden und kürzeren Abständen Stichtage verschoben würden, bis sie schließlich doch ganz fallen. Die Lawine zum Fall des Embryonenschutz ist losgetreten. Sie muss entschieden und grundsätzlich gestoppt werden, mindestens mit einer Ablehnung jeder Stichtagsverlegung.

Die heute hier vorliegende Studie zeigt: Die Mehrheit unseres Volkes will die embryonale Stammzellforschung nicht, sondern die adulte. Politiker fragen nach dem Willen der Mehrheit. Hier ist er.

Es ist in den letzten Tagen mitunter der Eindruck entstanden, dass es in dieser wichtigen Frage der Menschenrechte in ihrem Verhältnis zur Forschungspolitik einen grundlegenden Unterschied zwischen der Katholischen Kirche und evangelischen Christen gebe. Für die Deutsche Evangelische Allianz erkläre ich, dass wir ohne Abstriche für den Vorrang des Lebensschutzes vor allen Interessen der Forschung eintreten.

Als evangelischer Christ danke ich der Katholischen Kirche, dass sie in dieser Frage kompromisslos beim Lebensschutz bleibt. Ich danke aber auch Bischöfen und führenden Mitgliedern innerhalb der protestantischen Kirchen, dass Sie dem Ratsvorsitzenden der EKD in den letzten Tagen und Wochen in dieser Fragestellung nicht gefolgt sind, sondern ihm kräftig widersprechen, sowohl die Theologieprofessoren Dr. Wilfried Härle, Heidelberg, auch Vorsitzender der Kammer für Öffentliche Verantwortung der EKD, und Dr. Michael Herbst, Greifswald, als auch der Leitende Bischof der Vereinigten Evangelisch Lutherischen Kirche, Dr. Johannes Friedrich, München, der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen, Dr. Friedrich Weber, Braunschweig und der Bischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, Frank Otfried July, Stuttgart.

Die unantastbare Würde des Menschen gibt es nur brutto und muss für jeden Augenblick des Lebens gelten. Darum halte ich fest: Die embryonale Stammzellforschung ist weder richtig noch wichtig. Darum ist auch die diskutierte Verschiebung des Stichtags im Stammzellgesetz dem Menschenschutz abträglich und abzulehnen.

Es gilt das gesprochene Wort

Hartmut Steeb
Generalsekretär Deutsche Evangelische Allianz
email: info@ead.de
www.ead.de

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