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27.11.2006

„Falsche Hoffnungen" und „Eigeninteresse":

Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie gegen Stammzellgesetz-Aenderung

Berlin (ALfA). Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) hat die Forderungen der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) nach einer Aenderung des Stammzellgesetzes zurueckgewiesen und den Forschern vorgeworfen, aus Eigeninteresse falsche Erwartungen fuer die Entwicklung neuartiger Medikamente geweckt zu haben. "Man hat die Oeffentlichkeit in die Irre gefuehrt", sagte der BPI-Vorsitzende Bernd Wegener in einem Interview mit dem Berliner "Tagesspiegel" am 23. November. "Man sollte nicht so tun, als haenge das Heil der Patienten an der Forschung mit embryonalen Stammzellen."

Aus Pharma-Sicht sei die Verarbeitung embryonaler Stammzellen "heute nicht relevant". Medizinisch sei davon "nur in ganz wenigen Bereichen etwas zu erwarten" - etwa bei der Unterstuetzung von Keimbahntherapien, die aber gesellschaftlich bisher nicht akzeptiert seien. Und kurzfristig sei "die Hoffnung auf neuartige Therapien sowieso verfehlt". Bis ein Arzneimittel alle Genehmigungsprozesse durchlaufen habe, vergingen mindestens zehn Jahre.

Anders verhalte es sich mit den ethisch unproblematischeren, adulten Stammzellen, fuer die keine Embryonen getoetet werden muessen. Aus diesem Bereich kaemen "die wesentlichen Ansaetze fuer neue Therapien". Hier haetten sich die Hoffnungen "durchaus erfuellt", sagte Wegener und widersprach damit dem DFG-Praesidenten Ernst-Ludwig Winnacker, der das Gegenteil behauptet hatte. Adulte Stammzellen seien "fuer die Arzneimittel-Industrie wirklich bedeutsam". Und der Nutzen fuer Patienten sei viel hoeher, weil es bei der Behandlung nicht zu "Abstossungs- und anderen schwerwiegenden Reaktionen" komme wie bei embryonalen Stammzellen.

Den Druck der Forscher beim Thema embryonalen Stammzellen fuehrte der BPI-Vorsitzende darauf zurueck, dass in diesem Bereich die "experimentelle Breite" groesser sei - "also auch die Moeglichkeiten, Gelder zu erhalten und Neues zu publizieren". Bei den Forderungen nach einer Aenderung des Stammzellgesetzes gehe es "zu 75 Prozent auch um das Eigeninteresse, das Ego der Forscher". Allerdings habe sich Forschung "innerhalb der gesellschaftlich akzeptierten Rahmenbedingungen abzuspielen".

Auch Europaabgeordnete verschiedener Fraktionen, die sich im Parlament mit bioethischen Fragen auseinandersetzen, haben in einem offenen Brief die Bundestagsabgeordneten aufgefordert, das deutsche Stammzellimportgesetz und das Embryonenschutzgesetz nicht aufzuweichen. Dies teilte Dr. Peter Liese, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Bioethik der groessten Fraktion im Europaeischen Parlament (EVP-ED) und Mitinitiator des Briefes, in einer Presseaussendung am 24. November mit.

In ihrem Brief betonen die EU-Abgeordneten, dass die Entscheidung ueber die ethischen Grenzen in der Forschung alleine vom nationalen Parlament getroffen werden muessten. Die Europaeische Union habe in diesem Bereich nicht vor, die Entscheidungen der Mitgliedstaaten zu aendern. Da allerdings die europaeische Situation sehr haeufig als Grund fuer einen Aenderungsbedarf in Deutschland angesehen wird, betonen die Abgeordneten, dass auch aus europaeischer Sicht vieles fuer eine strengere Regelung spreche. So sei verbrauchende Embryonenforschung ausser in Deutschland auch in neun weiteren EU-Mitgliedstaaten verboten. Die Argumente, die in der jetzigen deutschen Diskussion gegen eine Stichtagsregelung vorgetragen wuerden, seien schon bei der Verabschiedung des Gesetzes 2002 bekannt gewesen. Die ethischen Gruende fuer den Stichtag seien durch neue Forschungserkenntnisse nicht beseitigt worden. Auch in Laendern mit liberalerer Regelung wie Grossbritannien, China oder Suedkorea gebe es keine therapeutischen Erfolge mit embryonalen Stammzellen. Dagegen habe die Forschung mit adulten Stammzellen schon in vielen Bereichen zur Heilung von Patienten gefuehrt. Auch die Entscheidung zum 7. Forschungsrahmenprogramm aendere die Lage nicht, da lediglich die bisherige Praxis festgeschrieben worden sei. Mindestens seit Anfang 2004 foerdert die Europaeische Union Projekte, die in Deutschland illegal sind. "Wer 2004 daher nicht fuer eine Aenderung des Stammzellimportgesetzes eingetreten ist, hat auch Ende 2006 keine neuen Argumente", betonte Dr. Liese.



Weitere Informationen

„Es geht auch um das Ego der Forscher"

Pharmachef: Wissenschaftler wecken aus Eigeninteresse falsche Hoffnungen auf neue Therapien / Embryonale Stammzellen „nicht relevant" Interview mit Bernd Wegener, Vorstandschef des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI) und leiter der Brahms AG, ein Biotechnologie-Unternehmen in Hennigsdorf bei Berlin.

TAGESSPIEGEL 23.11.2006

http://archiv.tagesspiegel.de/archiv/23.11.2006/29 15238.asp

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