Symbolfoto, © Sebastian Ständecke, www.pixelquelle.de Treffen Christlicher Lebensrecht-Gruppen

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27.11.2006

„Der gute Tod":

Kritik am Medienpreis des Deutschen Hygiene Museums und der DKV fuer Beitrag ueber Kindereuthanasie

Dresden / Berlin / Muenchen (ALfA). Im Deutschen Hygiene Museum (DHMD) in Dresden wurde am Abend des 24. November trotz vorangegangener heftiger Proteste der mit 12.000 Euro dotierte Medienpreis an den Journalisten und Autor Erwin Koch fuer seinen Beitrag „Der gute Tod" verliehen. Der Text, der am 4. Maerz 2006 in „Das Magazin" in der Schweiz veroeffentlicht wurde, beschaeftigt sich mit dem Thema Sterbehilfe am Beispiel der Ausfuehrungen des niederlaendischen Kinderarzt Eduard Verhagen, der Euthanasie an neugeborenen Kindern durchfuehrt und bislang vier Kinder auf diese Weise mit staatlichem Wissen und Genehmigung durch eine Kommission getoetet hat. Verhagen begruendet seine Toetung schwer kranker und wehrloser Kinder mit ihrem grossen Leid. Ihr Leben widerspreche den Interessen des kranken Kindes. Die Preisjury hob auf der Webseite des DHMD hervor, „dass Erwin Koch seine Leser mit der Dramatik eines moralischen Dilemmas konfrontiert, ohne ihnen eine bestimmte Sichtweise aufzuzwingen."

Die behindertenpolitischen Sprecher aller im Bundestag vertretenen Fraktionen sahen dies anders und uebten zuvor an der Preisverleihung heftige Kritik. In einer gemeinsamen Presseerklaerung vom 23. November aeusserten sie ihre Bestuerzung ueber die geplante Preisverleihung fuer einen Euthanasietext ausgerechnet im Dresdener Deutschen Hygiene-Museum, in dem gegenwaertig die Ausstellung "Toedliche Medizin - Rassenwahn im Nationalsozialismus" stattfindet. Es sei ihnen unverstaendlich, wie die DKV Krankenversicherung und das Deutsche Hygiene-Museum eine solche Arbeit fuer ihren diesjaehrigen Medienpreis "Im Zentrum der Mensch" auswaehlen konnten. Der mit dem Preis ausgezeichnete Text "Der gute Tod" aesthetisiere die Euthanasie an kranken und behinderten neugeborenen Kindern in den Niederlanden.

"Von 1933 bis 1945 ermordeten die Nationalsozialisten mehr als 200.000 Menschen im Zuge sogenannter 'Euthanasie'-Massnahmen, 400.000 wurden Opfer von Zwangssterilisationen", zitieren sie aus der Internetseite des Deutschen Hygiene-Museums. „Es gibt kein ‚lebensunwertes Leben‘. Niemand darf Menschen mit schwerer Behinderung oder Krankheit toeten, und sei es aus Mitleid.", stellten die Parlamentarier klar. Die geplante Auszeichnung des Kindereuthanasie-Textes waere „ungeheuerlich und verhaengnisvoll." Sie forderten daher eine Absage der Veranstaltung.

Auch der Bund der „Euthanasie" – Geschaedigten und Zwangssterilisierten e.V. und der Arbeitskreis zur Erforschung der NS-„Euthanasie" und Zwangssterilisation appellierten in einem offenen Brief an den Direktor des Deutschen Hygiene Museums, Klaus Vogel, die Preisverleihung zu ueberdenken. In diesem Beitrag werde die niederlaendische Praxis der Toetung schwerstbehinderter Neugeborener positiv und als "humanste Form ihre Behandlung" dargestellt. Andere Umgangsweisen mit schwerstbehinderten Neugeborenen, insbesondere die Moeglichkeiten einer palliativen Versorgung, blieben unerwaehnt. Die Methode des Artikels sei ihnen aus der internationalen Euthanasiebewegung allzu bekannt und sei „weder neu, noch ueberzeugend." "Der Einzelfall, hier ein Maedchen mit Epidermolysis bullosa, wird als so leidvoll dargestellt, dass die Euthanasietaeter mindestens mit Verstaendnis, wenn nicht mit Zustimmung rechnen koennen. Die emotionalisierende Darstellung dramatischer Einzelfaelle haben Euthanasie-Befuerworter immer wieder benutzt, um damit den Boden fuer eine Euthanasie ermoeglichende Gesetzgebung zu bereiten", heisst es in dem offenen Brief.

Auch Christian Frodl, Koordinator der InteressenGemeinschaft Kritische Bioethik kritisierte die Preisverleihung in einer Pressemitteilung vom selben Tag. „Einerseits holt das Deutsche Hygiene Museum Dresden die Ausstellung ‚Toedliche Medizin: Rassenwahn im Nationalsozialismus‘, die u.a. den Massenmord an ‚lebensunwertem Leben‘ thematisiert, nach Deutschland und will damit die Folgen der damaligen Ideologie aufzeigen sowie sich mit der eigenen unruehmlichen Geschichte auseinander setzen. Andererseits praemieren die DKV Krankenversicherung und das Museum mit 12.000 Euro einen Artikel, der mit den Ausfuehrungen Verhagens die Toetung ‚lebensunwerten‘ Lebens von kranken und behinderten neugeborenen Kindern in den Niederlanden beschoenigt und in dem seine Aussagen und Rechtfertigungen zur Erloesung von Leiden nahezu unwidersprochen in den Raum gestellt werden. Hier haette das Deutsche Hygienemuseum mit dem Medienpreis zum Thema ‚Im Zentrum der Mensch‘ ein weiteres Zeichen als Ergaenzung zur Ausstellung setzen und einen Artikel praemieren koennen, der sich fuer das uneingeschraenkte Lebensrecht von Menschen mit Behinderung ausspricht." Ein gutes Beispiel dafuer waeren Beitraege, die ueber ein Sterben in Wuerde in Hospizen berichten. Stattdessen werde durch die Nominierung des Artikels „Der gute Tod" das Bemuehen des Hygienemuseums, sich mit seiner eigenen Vergangenheit kritisch auseinander zu setzen, ad absurdum gefuehrt und seine Glaubwuerdigkeit in Frage gestellt, kritisierte Frodl.

Nach einer am Abend vom Hygienemuseum versandten Pressemitteilung, in der auch auf die Kritik der Gegner eingegangen wird, haelt die Jury den Artikel fuer einen "wichtigen Beitrag zu der oeffentlichen Diskussion ueber diese Grenzfragen medizinischer Ethik, die mit dem gebotenen noetigen Ernst und Respekt fuer unterschiedliche politische, weltanschauliche oder religioese Standpunkte gefuehrt werden muesse". „Doch bei der Frage nach Euthanasie schwer kranker und wehrloser Kindern geht es nicht einfach um so genannte Standpunkte, die zur Disposition stehen, sondern um Leben oder Tod", entgegnete dazu Frodl. Er forderte die Jury daher nachdruecklich dazu, auf den Preis fuer den Beitrag abzuerkennen und an einen Autor zu vergeben, der der Problematik gerecht wird.



Weitere Informationen

Der gute Tod

Text Erwin Koch

Der niederlaendische Kinderarzt Eduard Verhagen will nicht heimlich tun, was weltweit getan wird: die Toetung von unheilbar kranken Neugeborenen, die nichts als leiden.

Gewinnerbeitrag zum Wettbewerb des Deutschen Hygiene-Museum Dresden, veroeffentlicht am 4. Maerz 2006 in „Das Magazin", Schweiz

http://www.dhmd.de/neu/index.php?id=445

Preisjury vergibt Medienpreis trotz Protest Schweizer Journalsit Erwin Koch wird heute mit dem Medienpreis "Im Zentrum der Mensch" ausgezeichnet.

PRESSEMITTEILUNG Deutsches Hygiene Museum Dresden und Deutsche Krankenversicherung DKV 24.11.06 http://www.kritischebioethik.de/pm-medienpreis_ver leihung-24-11-06.pdf

Offener Brief des Bundes der „Euthanasie" – Geschaedigten und Zwangssterilisierten e.V. und des Arbeitskreises zur Erforschung der NS-„Euthanasie" und Zwangssterilisation an Herrn Klaus Vogel, Direktor des Deutschen Hygiene Museums, zum Medienpreis 2006 fuer den Beitrag "Der gute Tod"

Veroeffentlicht 24.11.06 im PDF-Format

http://www.kritischebioethik.de/offener-brief-hygi enemuseum_medienpreis-24-11-06.pdf

Sterbehilfe: „Im Zentrum der Mensch"?

Von Erika Feyerabend

Vorabdruck aus Newsletter Behindertenpolitik Nr. 26 (Dezember 2006) – Beilage zu BIOSKOP Nr. 36, 23.11.06 im PDF-Format http://www.bioskop-forum.de/downloads/20061123-zen trummensch-ef.pdf

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