Symbolfoto, © Sebastian Ständecke, www.pixelquelle.de Treffen Christlicher Lebensrecht-Gruppen

Nächste Meldung · Vorige Meldung · Zur Übersicht

01.11.2006

Fünf Babys und ein Hamster

Der Lebensrechtsverein KALEB hat eine Babyklappe

Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland 124.000 Abtreibungen gemeldet. Das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung beim Statistischen Bundesamt (Wiesbaden) schätzt aber, daß nur 60 Prozent der Abtreibungen statistisch erfaßt werden. Die christliche Lebensrechtsbewegung KALEB (Kooperative Arbeit Leben Ehrfürchtig Bewahren) engagiert sich seit 16 Jahren für den Schutz menschlichen Lebens und bietet Hilfe für Schwangere und Familien. KALEB wurde 1990 in Leipzig gegründet. Mittlerweile gibt es bundesweit 33 KALEB-Kontaktstellen, 12 davon in Sachsen. Die Kontaktstelle in Dresden ist die einzige in Deutschland, die eine Babyklappe unterhält. Ein Bericht von Matthias Pankau.

In der Bautzner Straße 52 in der Dresdner Neustadt werden Leben gerettet. Hier hat die Lebensrechtsbewegung KALEB eine Kontaktstelle. Die überkonfessionelle, christliche Initiative hat es sich zur Aufgabe gemacht, für das Lebensrecht ungeborener Kinder einzutreten und Frauen in Konfliktsituationen zu unterstützen.

Die etwa einhundert Quadratmeter große Wohnung mit Dielenfußboden und Stuckdecken ist hell und freundlich eingerichtet. In den zwei großen Gruppenräumen mit Sofas, Sitzkissen und geschmackvollen Bildern an der Wand ist fast täglich etwas los – von der offenen Stillgruppe über Eltern-Kind-Gruppen bis zur Selbsthilfegruppe für Frauen, die eine Fehl- oder Totgeburt hinter sich haben. „Viele Frauen fühlen sich in ihrer Situation alleingelassen. Hier können sie sich austauschen und sich beraten lassen“, erklärt Margret Mehner, Vorstandsvorsitzende von KALEB Dresden.

Für schwangere Frauen, die anonym bleiben möchten, gibt es bei KALEB auch eine Notrufnummer, die Tag und Nacht besetzt ist. 16 ehrenamtliche Helferinnen wurden speziell dafür ausgebildet. „Viele vor allem junge Frauen rufen uns an, weil sie mit niemandem sonst darüber sprechen können“, sagt Garnet Helm. Oder sie wüßten nicht, wie sie das Kind versorgen sollten. „Eine unserer Hauptaufgaben besteht darin, über die vielen Hilfs- und Unterstützungsmöglichkeiten zu informieren.“ So unterhält der Verein im Erdgeschoß auch eine Kleiderkammer, in der sich Frauen und Familien kostenlos Kleidung, Kinderwagen und sogar Bettchen abholen können. „Wir bitten nur darum, die Sachen wieder zurückzubringen, sobald sie nicht mehr gebraucht werden. Die meisten machen das auch.“ Frauen, die nicht wissen, wohin, können auch für eine bestimmte Zeit in der Krisenwohnung des Vereins unterkommen.

Die erste Frage vieler Ärzte: „Wollen sie das Kind behalten?“

Andere suchten das Gespräch, weil sie ihr Frauenarzt verunsichert hat. Garnet Helm gerät in Rage, wenn sie davon erzählt. „Die erste Frage, die viele Ärzte hier im Osten stellen, ist: Wollen sie das Kind behalten?“ Ein Skandal, wie die vierfache Mutter findet. Aufgabe von Ärzten sei es doch, Leben zu retten, und nicht, selbst eine Abtreibung vorzuschlagen. Viele Frauen litten noch Jahre später unter einer Abtreibung. So beispielsweise die 38jährige, die ein Schreibaby hat und kürzlich bei KALEB war, um sich beraten zu lassen. „Als sie unser Logo an der Tür sah, brach sie plötzlich in Tränen aus und erzählte, wie sie als 19jährige während eines Frankreich-Urlaubs ungewollt schwanger wurde und das Kind abtreiben ließ.“ Das habe sie sich bis heute nicht verziehen. In solchen Situationen böten sich vielfach Anknüpfungspunkte, um über den christlichen Glauben ins Gespräch zu kommen, sagt Garnet Helm. „Ich erzähle dann, daß Gott uns vergibt, wenn wir ihn darum bitten.“ Viele hörten das zum ersten Mal.

Frau setzt totes Baby in Schuhkarton neben Babyklappe aus

Aber nicht alle Frauen sind zu einem Gespräch bereit. In Deutschland setzen jedes Jahr 40 bis 50 Mütter ihre Neugeborenen aus; die Hälfte der Kinder überlebt das nicht. Die KALEB-Frauen aus Dresden wollten sich damit nicht abfinden und richteten vor fünf Jahren eine Babyklappe ein, in der Mütter ihre Babys anonym abgeben können. „Damals gab es bundesweit erst drei Babyklappen“, erklärt Helm. Heute sind es mehr als 80. Die Kontaktstelle in Dresden ist allerdings die einzige KALEB-Einrichtung mit einer Babyklappe.

Traurige Berühmtheit erlangte die Dresdner Babyklappe in diesem Frühjahr. Eine junge Mutter stellte ihr totes Baby verpackt in einen Schuhkarton mitten in der Nacht daneben ab. Die Presse berichtete wochenlang darüber. Ganz Dresden war schockiert. Die Frauen von KALEB schreiben einen Brief an die Mutter, den sie ins Schaufenster hängen. „Liebe unbekannte Mutter, wir verurteilen dich nicht. Wir wissen, daß es im Leben Situationen gibt, in denen man nicht bei sich ist. Wir können zuhören, wenn Du reden möchtest.“ Und die 19jährige Mutter meldet sich tatsächlich. Sie wartet jetzt auf ihren Prozeß und wird von KALEB seelsorgerlich begleitet. „Alle Welt ist empört darüber, was diese Frau getan hat“, sagt Margret Mehner. „Dabei ist das nicht schlimmer, als wenn ein Kind in den ersten drei Lebensmonaten im Mutterleib umgebracht wird.“

KALEB kümmerte sich nicht nur um die Mutter, sondern auch um das Baby. Von den Behörden bekommt der Verein die Erlaubnis, den Säugling bestatten zu lassen. Davor bekommt er noch einen Namen: Dominik „zu Gott gehörend“. „Er gehört jetzt nicht mehr der Mutter, nicht uns als Verein, aber dem Herrn“, so Frau Mehner. Sie hoffe, daß diese Geschichte die Babyklappe so bekannt gemacht habe, daß „jetzt jede Mutter in einer ähnlichen Situation unsere Notrufnummer kennt und rechtzeitig Hilfe für sich einklagt“.

Vom Namen bis zur Krankenversicherung

Insgesamt fünf Babys wurden seit 2001 in die Babyklappe gelegt – „und ein Hamster“, fügt Garnet Helm schmunzelnd hinzu. „Den haben wir dann ans Tierheim weitergegeben.“ Wenn eine Mutter ihr Kind abgibt, hat sie die Möglichkeit, ihm einen Brief zu hinterlegen. Wird die Klappe geschlossen, sendet die Schließvorrichtung ein Funksignal, das die KALEB-Frauen informiert. Zunächst erfährt keine der sonst zuständigen Behörden von dem Kind. Helm und ihre Kolleginnen geben ihm einen vorläufigen Namen und schließen eine speziell für diesen Fall entwickelte Krankenversicherung ab. Anschließend kümmert sich eine Pflegefamilie acht Wochen lang um das Baby. Meldet sich die Mutter innerhalb dieser Zeit nicht, wird das Kind den Behörden gemeldet und das Jugendamt sucht geeignete Adoptiveltern. Und es gibt sie, die glücklichen Ausgänge. So hat Anne (Name v. d. Red. geändert) vor kurzem ein neues Zuhause gefunden. Sie war im Juni in der Babyklappe abgegeben worden. Margret Mehner ist dankbar für solche Nachrichten. „Das ist nicht nur für das Kind und die neuen Eltern ein Geschenk, sondern auch für uns.“

Nächste Meldung · Vorige Meldung · Zur Übersicht


Die Meldungen sind teilweise Pressemitteilungen und Newslettern von Partnerorganisationen entnommen. Das Meldungs-Datum bezeichnet den Tag der Aufnahme auf diese Webseite.