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13.01.2005

Abtreibung und Sterbehilfe: Kardinal Meisner bringt es auf den Punkt

Hitler-Vergleich in der Kritik

Koeln (ALfA) Mit einem Vergleich von Abtreibungen mit den Verbrechen Hitlers und Stalins hat der Koelner Erzbischof Joachim Meisner eine Welle der Empoerung ausgeloest. Laut „Yahoo! News“ (7. Januar) und diverser anderen Medienberichten nannte der Praesident des Zentralrates der Juden Paul Spiegel die Aeusserungen unsaeglich und beleidigend und forderte den Kardinal auf, sie sofort zurueckzunehmen.

Wie Bistumssprecher Manfred Becker-Huberti am Freitag laut „Yahoo News“ bestaetigte, habe der Kardinal in seiner Dreikoenigs-Predigt gesagt: «Zuerst Herodes, der die Kinder von Bethlehem umbringen laesst, dann unter anderem Hitler und Stalin, die Millionen Menschen vernichten liessen, und heute, in unserer Zeit, werden ungeborene Kinder millionenfach umgebracht.» Bereits in seiner Silvesterpredigt hatte Meisner laut vorab verbreitetem Redetext erklaert, Abtreibung stelle „wohl alle bisherigen Verbrechen der Menschheit in den Schatten“.

Laut „Yahoo News“ reagierte der Praesident des Zentralrates der Juden, Paul Spiegel empoert auf diese Gleichsetzung. „Ich erwarte vom Kardinal, dass er sich unmissverstaendlich und sehr schnell von diesen unsaeglichen und beleidigenden Vergleichen distanziert.“ Bei allem Verstaendnis fuer die Einstellung des Bischofs gegenueber der Abreibungsproblematik begreife er nicht, wie ein Vergleich gezogen werden koenne, zwischen dem, was Frauen hinsichtlich ihres eigenen Koerpers tun, und dem fabrikmaessigen Mord an Menschen, so Spiegel. Gerade „von einem Wuerdentraeger mit einer solchen Vorbildfunktion“ erwarte er eine sehr ueberlegte Haltung bei solchen Aeusserungen. Personen des oeffentlichen Lebens haetten aufgrund solcher Aeusserungen schon von ihren Aemtern zuruecktreten muessen.

Auch bei Politikern stiess den Medienberichten zufolge die Meisner-Aeusserung auf entschiedenen Widerspruch. So wertete Gruenen-Chefin Claudia Roth Meisners Vergleich als eine Beleidigung der Opfer des Holocausts und von Frauen in existentiellen Notsituationen. Sie forderte Meisner zu einer Entschuldigung bei denjenigen auf, die er beleidigt habe. Meisner reisse wieder einmal alte Wunden auf, kritisierte sie.

Als „schlimme Entgleisung“ bezeichnete der nordrhein-westfaelische FDP-Generalsekretaer Christian Lindner Meisners Vergleich. Wenn sich Frauen in einer individuellen Notlage dazu entschliessen, einen legalen Schwangerschaftsabbruch vorzunehmen, dann solle die Kirche Trost spenden und Halt bieten, statt zu verurteilen, so Lindner weiter.

Von Kirchenseite wurden die Vorwuerfe jedoch entschieden zurueckgewiesen. Laut Bistums-Sprecher Becker-Huberti uebersehe die Kritik, dass der Kardinal mit keinem Wort die Einzigartigkeit des Genozids an den Juden unter Hitler relativiert habe. Der Bischof habe die Euthanasie unter Stalin und Hitler mit der Abtreibung der Gegenwart verglichen. Beides sei die Folge eines Aufbegehrens gegen Gott. Dies werde sichtbar sowohl im Handeln von Hitler und Stalin, als auch im kollektiven Verhalten der Menschen der Gegenwart.

Klargestellt wurde dies noch einmal in einer eigenen ausfuehrlichen Stellungnahme des Presseamtes des Erzbistums Koeln zur Kritik an der Dreikoenigspredigt von Kardinal Meisner am 8. Januar.

Demnach titelte am 7. Januar der SPIEGEL: „Kardinal Meisner vergleicht Abtreibungen mit Hitlers Verbrechen“. Dies sei bezeichnend fuer die Interessenlage des SPIEGEL: Der Wortlaut der Predigt Kardinals Meisners vom 6. Januar werde so verkuerzt zitiert, dass der Eindruck entstehen konnte, dem Kardinal ginge es allein um einen Vergleich von kriminellen Taten. In Wirklichkeit habe Kardinal Meisner an wenigen Beispielen deutlich gemacht: Wo sich Menschen zum Herrn ueber das Leben machen, verlieren andere das Leben. Das aus dem Zusammenhang gerissene Zitat stehe aber in einem Zusammenhang. Gesagt habe der Erzbischof von Koeln:

„Mein Leben, mein Herz, mein Leib gehoert nicht mir. Es ist sein [= Gottes] Eigentum. Ich kann ueber mein eigenes Leben und ueber das Leben anderer nicht verfuegen. Ich kann es immer nur dankend empfangen. Es ist bezeichnend: Wo der Mensch sich nicht relativieren oder eingrenzen laesst, dort verfehlt er sich immer am Leben: zuerst Herodes, der die Kinder von Betlehem umbringen laesst, dann unter anderem Hitler und Stalin, die Millionen Menschen vernichten liessen, und heute, in unserer Zeit, werden ungeborene Kinder millionenfach umgebracht. Abtreibung und Euthanasie heissen die Folgen dieses anmassenden Aufbegehrens gegenueber Gott. Das sind nicht soziale Probleme, sondern theologische. Hier kommt das erste Gebot ins Spiel: ‚Du sollst keine fremden Goetter neben mir haben’“.

Der Vergleich von Heute mit den Zeiten unter Herodes, Hitler und Stalin beziehe sich allein darauf, dass Verfehlungen am menschlichen Leben geschehen seien, die sich darauf zurueckfuehren liessen, dass sich Menschen zum Herrn ueber das Leben machen. Heute bestuende fast kollektiv die Annahme, der Mensch koenne vor allem ueber das Lebensrecht ungeborener Kinder entscheiden.

„Wenn ich geahnt haette, dass mein Verweis auf Hitler missverstanden haette werden koennen, haette ich seine Erwaehnung unterlassen. Es tut mir leid, dass es dazu gekommen ist. In der Dokumentation meiner Predigt werde ich darum auch den Hinweis auf Hitler tilgen lassen“, sagte der Koelner Erzbischof am Abend des 7. Januars laut der Stellungnahme des Presseamtes, „denn damit bleibt die Aussageabsicht des Textes ganz erhalten: Wo der Mensch sich selbst zu Gott macht, dort verfehlt er sich am Leben“.

Mittlerweile bekommt Kardinal Meisner von verschiedenen Seiten Schuetzenhilfe. Laut dem Katholischen Nachrichtendienst „Kath.net“ vom 10. Januar habe unter anderen der deutsche Bundestagsabgeordnete fuer den Wahlkreis Fulda, Martin Hohmann, Kardinal Joachim Meisner verteidigt. Meisner habe in seiner Dreikoenigspredigt die Abtreibungsmentalitaet „zu Recht und zutreffend“ angeprangert, so Hohmanns Feststellung.

Auch das „Forum Deutscher Katholiken“ habe sich auf die Seite des Koelner Erzbischofs gestellt und ihm fuer seinen Mut gedankt. Meisner zeige „die generelle Ursache der Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ auf, heisst es laut „Kath.net“ in einer Erklaerung des Forums. „Der Kardinal verharmlost oder mindert in keiner Weise die Verbrechen der Nationalsozialisten an den Juden. Er bringt vielmehr das millionenfache Unrecht der Ermordung von Menschen nachdruecklich ins Bewusstsein.“

Die ungeborenen Kinder unserer Zeit koennten „ebenso wenig ihre Rechte einfordern, wie die wehrlosen Juden unter der NS-Diktatur“, habe das „Forum Deutscher Katholiken“ weiter betont. “Wenn eine spaetere Generation ueber die massenhafte Toetung ungeborener Kinder ihr Urteil sprechen wird und fragt, ob die Kirche dazu geschwiegen hat, werden die Christen dankbar auf Persoenlichkeiten, wie Kardinal Meisner, hinweisen.“

Anders sieht dies dagegen die links-orientierte Koelner Gruppe „Gemeinsam gegen Sozialraub“ Sie stellte „Kath.net“ zufolge einen Strafantrag wegen „Volksverhetzung“ gegen Kardinal Meisner. Er vertrete einen aggressiven Fundamentalismus, hiess es in einer Stellungnahme. Der Kardinal verhoehne die Opfer des Holocausts, stelle Frauen auf die Stufe mit dem schlimmsten Massenmoerder der Geschichte und erweise sich als „echter Hassprediger“, so Claus Ludwig, Mitglied im Rat der Stadt Koeln.


Weitere Infos: Stellungnahme des Presseamtes des Erzbistums Koeln vom 08.01.05 zur Kritik an der Dreikoenigspredigt von Kardinal Meisner inklusive Text der umstrittenen Predigt im Wortlaut. Abrufbar unter http://www.erzbistum-koeln.de/opencms/opencms/erzb istum/thema/Stellungnahme.html

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