Symbolfoto, © Sebastian Ständecke, www.pixelquelle.de Treffen Christlicher Lebensrecht-Gruppen

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29.11.2022

Druck von außen häufige Ursache für Schwangerschaftskonflikte

Studie des Arztes Florian Dienerowitz über die Gründe für Abtreibungen

Heidelberg (IDEA) – Der meistgenannte Grund für Schwangerschaftskonflikte sind laut einer Studie Probleme in der Partnerschaft. Das gaben über 40 Prozent der betroffenen Frauen als Hauptgrund für den Konflikt an. Es folgen biografische Gründe (19,7 Prozent) und Überforderung (15,9 Prozent). Materielle Sorgen gaben hingegen nur 5,3 Prozent als Hauptgrund an. Zu diesem Ergebnis kommt eine Erhebung [1] des Arztes Florian Dienerowitz (Heidelberg), der über 1.800 Gesprächsprotokolle der freien 24-Stunden- Telefonberatungsstelle vitaL [2] aus den Jahren 2012 bis 2018 im Rahmen seiner Dissertation [3] ausgewertet hat. Rund 1.200 dieser Beratungsgespräche fanden mit den betroffenen Frauen selbst statt, knapp 230 mit den Kindsvätern und die restlichen mit weiteren Angehörigen. Gegenüber der Evangelischen Nachrichtenagentur IDEA erläuterte Dienerowitz, dass Frauen sehr vielen äußeren Einflussfaktoren ausgesetzt seien. „Das Narrativ einer selbstbestimmten Entscheidung der Frau erweist sich häufig bei näherem Hinsehen als eine wenig realistische Vorstellung.“

Der Einfluss der Väter ist enorm

Eine detaillierte Betrachtung der Ergebnisse zeige die enorme Bedeutung des Einflusses Dritter auf die Schwangere, insbesondere die Ablehnung der Schwangerschaft durch den Kindsvater. Das reiche von einem beiläufigen „Ich will das Kind nicht“ bis zur Androhung von Trennung oder sogar Gewalt. Doch auch wenn Kindsväter häufig direkt oder indirekt zu einem Schwangerschaftsabbruch drängten, kämen regelmäßig auch gegenteilige Fälle vor. „Manche der männlichen Anrufer baten um Hilfe, weil sie nicht wollten, dass die Mutter das Kind abtreiben lässt.“ In eher geringer Häufigkeit gaben Frauen laut Dienerowitz an, eine Abtreibung aufgrund von religiösen Gründen zu erwägen. In diesen Fällen gehe es insbesondere darum, durch eine Abtreibung den aus religiösen Gründen geächteten außer- oder vorehelichen Geschlechtsverkehr zu vertuschen. Hierbei gaben rund 80 Prozent eine muslimische und sieben Prozent eine christliche Sozialisation an. Insbesondere bei derartigen Untersuchungsdetails sei aber weitere Forschung nötig, um für Gesamtdeutschland aussagekräftige Ergebnisse zu bekommen.

Mehr Hilfen für ungewollt Schwangere

Dienerowitz sieht den Gesetzgeber in der Pflicht, betroffene Frauen effektiver zu unterstützen, um sich trotz der individuellen Widrigkeiten für das Austragen eines Kindes entscheiden zu können. Dies sei schließlich das Ziel der seit 1995 bestehenden gesetzlichen Regelungen. Grundlegend dafür sei aber die Kenntnis der Gründe für den Schwangerschaftskonflikt. Erst dann könne man verbesserte Hilfen entwickeln. Zu diskutierende Ansatzpunkte für Verbesserungen gebe es viele: Zum Beispiel könnte die Frau ein angemessenes Kindergeld bereits ab der Feststellung der Schwangerschaft durch den Frauenarzt erhalten. Das würde die finanziellen Abhängigkeiten von ihrem Umfeld abmindern, das auf sie Druck ausübe. Auch ein verbessertes Angebot von Paartherapien sei denkbar, falls aufgrund der Schwangerschaft Probleme in der Partnerschaft aufträten. Die Ergebnisse der Untersuchung deuteten zudem darauf hin, dass viele Frauen Ermutigung von außen bräuchten, dass sie es mit dem Kind schaffen könnten, weil ihnen diese in ihrem persönlichen Umfeld fehle. Der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler habe bereits 2006 in einer Rede beim Jahresempfang der Evangelischen Akademie Tutzing betont, dass niemand wisse „wie viele Kinder allein deshalb am Leben gehindert werden, weil ihre Eltern sich von der Gesellschaft alleingelassen fühlen. Damit dürfen wir uns nicht abfinden.“

Das Strafrecht schützt Mutter und Kind

In den 90er Jahren sei man in Deutschland dazu übergegangen, „Hilfe statt Strafe“ als Mittel des Lebensschutzes anzuwenden. Heute gehe der Trend dahin, Strafen für Schwangerschaftsabbrüche generell abzuschaffen und durch ein „Recht auf Abtreibung“ zu ersetzen. Dies sei kritisch zu sehen, denn selbst wenn man das Lebensrecht des Kindes ausklammere, würde eine weitere Liberalisierung vor allem dem Druck ausübenden Umfeld der Frau zugutekommen: „Das prinzipielle Verbot von Abtreibungen dient nicht nur dem ungeborenen Kind, sondern kann auch ein Schutz für eine nicht unbedeutende Gruppe von Frauen im Schwangerschaftskonflikt darstellen. Wenn das Umfeld sie zu einer Abtreibung drängen will, kann sich eine Schwangere darauf berufen, dass das in Deutschland verboten sei“, so Dienerowitz. Ohnehin sei der vollständige Verzicht auf das Strafrecht und eine uneingeschränkte Selbstbestimmung problematisch, wenn man das ungeborene Kind nicht nur als rechtloses Eigentum der Schwangeren verstehe. Folge man der Argumentationslinie des Bundesverfassungsgerichts, das mehrfach dem Ungeborenen die Menschenwürde und das Recht auf Leben zugesprochen habe, so seien Mann und Frau konsequenterweise nur vor dem einvernehmlichen Geschlechtsakt wirklich selbstbestimmt. Eine derartige Positionierung setze aber einen Mentalitätswandel voraus: „Mann und Frau müssten sich bei der Entscheidung zum Geschlechtsverkehr im Klaren darüber sein, dass trotz Verhütung ein Kind entstehen kann, für das dann sowohl die Frau als auch gleichermaßen der Mann Verantwortung zu übernehmen hat.“


[1] https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/ abstract/10.1055/a-1751-3550
[2] https://www.vita-l.de
[3] https://archiv.ub.uni-heidelberg.de/volltextserver /32374/

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