Symbolfoto, © Sebastian Ständecke, www.pixelquelle.de Treffen Christlicher Lebensrecht-Gruppen

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26.09.2007

Ethisch forscht am besten

Ein heißer Herbst: Warum Mediziner von embryonalen Stammzellen die Finger lassen müssen
Der Herbst wird in Deutschland ganz im Zeichen der Biopolitik stehen. Der Grund: Die Deutsche Forschungsgemeinschaft will völlige Freiheit beim Import embryonaler Stammzellen, zu deren Gewinnung menschliche Embryonen getötet werden müssen. Es geht also in dieser ethischen Frage um Leben und Tod – von schwerkranken Patienten wie von Embryonen. Forscher versprechen die Heilung schwerster Krankheiten. Doch bisher haben Versuche gezeigt, dass embryonale Stammzellen zur Therapie von Krankheiten nicht taugen. Der Journalist und Bioethikexperte Stefan Rehder (Aachen) beleuchtet die Hintergründe der Kontroverse.

Stammzellen haben die Eigenschaft, sich in verschiedenste Körperzellen verwandeln zu können. Deshalb arbeiten Mediziner darauf hin, mit Hilfe von Stammzellen eines Tages zerstörte Organe – etwa die Bauchspeicheldrüse – zu reparieren. Deutschland schützt allerdings Embryonen durch die sogenannte Stichtagsregelung aus dem Stammzellgesetz, das 2002 in Kraft getreten ist. Diese Stichtagsregelung erlaubt Forschern, nur solche embryonale Stammzellen aus dem Ausland zu importieren, wenn sie dort vor dem 1. Januar 2002 gewonnen wurden. Der Gesetzgeber wollte sicherstellen, dass die Stammzellforschung in Deutschland nicht dazu führt, dass im Ausland noch mehr Embryonen getötet werden. Denn die wachsende Nachfrage von Forschern würde bewirken, dass in anderen Ländern durch den dort erlaubten Verbrauch der Embryonen frische Stammzellen für deutsche Labors erzeugt würden.

Geht es nach der Deutschen Forschungsgemeinschaft, muss dieser Stichtag fallen. Weil seit dem 1. Januar 2002 weltweit mehrere hundert neue Stammzelllinien aus embryonalen Stammzellen kultiviert worden sind, müssten deutsche Forscher auch auf diese zugreifen können. Nur dann könnten deutsche Wissenschaftler ihre Arbeiten auch international vergleichen, argumentiert die Forschungsgemeinschaft. Zudem werden von den vor dem Stichtag hergestellten etwa 70 Stammzelllinien inzwischen nur noch etwa 20 auf dem Markt gehandelt – ob die anderen eingegangen sind oder für andere Zwecke eingesetzt werden, darüber lässt sich derzeit nur spekulieren.

Katholische Kirche votiert anders als EKD

Noch bevor sich in Deutschland der Widerstand gegen die Forderung der Forschungsgemeinschaft formieren konnte, erklärte überraschend der Ratsvorsitzende der EKD, Bischof Wolfgang Huber, er könne sich eine einmalige Verschiebung des Stichtags vorstellen; ein Vorschlag, mit dem jetzt der Gentechnik-Experte der SPD, René Röspel, im Bundestag um Mehrheiten wirbt. Nach Röspels Ansicht sollte der Stichtag auf Ende 2006 verlegt werden. Damit erhielten deutsche Wissenschaftler Zugriff auf rund 500 embryonale Stammzelllinien. Dagegen hat der Vorsitzende der (katholischen) Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann (Mainz), das Nein seiner Kirche zu einer Liberalisierung des Stammzellgesetzes noch einmal bekräftigt. Eine Verschiebung des Stichtags sei ein „Irrweg“. In der Politik wolle niemand mehr über die Grundsatzfrage sprechen, ob mit der Vereinigung von Ei- und Samenzelle bereits menschliches Leben vorliege und welche Konsequenzen sich daraus ergeben. Die katholische Kirche sei mit ihren Mahnungen ein „Rufer in der Wüste“.

Körperteile im Labor

Forscher hoffen, aus Stammzellen Ersatzgewebe und sogar ganze Organe für den Reparaturbetrieb am Menschen züchten zu können. Das wäre – so ihre Argumentation – viel effektiver als etwa Organtransplantationen. Wie der Trendforscher Jeremy Rifkin in seinem vor zehn Jahren erstmals erschienenen Buch „Das biotechnische Zeitalter“ schreibt, prognostizierten die Forscher, bis zum Jahr 2020 würden sich etwa 95% aller menschlichen Körperteile durch im Labor gezüchtete Organe ersetzen lassen.

Was sind Stammzellen?

Als Stammzellen werden Zellen bezeichnet, die – anders als zum Beispiel Blut-, Haut-, Herz-, Leber-, Muskel- oder Nervenzellen – noch keine spezifische Aufgabe im Körper wahrnehmen. Sie kommen in nahezu allen Organen im Organismus vor und dienen dort als „stille Reserve“. Mit ihrer Hilfe regenerieren sich die Organe selbst, wenn etwas kaputtgegangen ist. So schließt der Körper etwa Wunden, indem er aus Stammzellen neues spezifisches Gewebe bildet. Dass sich Stammzellen bei vielen Wissenschaftlern, Pharmakonzernen und Investoren derart großer Beliebtheit erfreuen, verdanken sie im Wesentlichen zwei Eigenschaften: der Fähigkeit, sich selbst zu vermehren, und der Fähigkeit, die Eigenschaften spezifischer Gewebezellen anzunehmen, sich also zu differenzieren. Auf diese Weise können sich zum Beispiel Stammzellen des Knochenmarks nicht nur in Blutzellen verwandeln, sondern auch in Leber- oder Herzmuskelzellen. Aus ethischer Sicht besonders wichtig ist, dass es zwei Arten von Stammzellen gibt: adulte und embryonale. Während adulte Stammzellen an zahlreichen Orten im Organismus von geborenen Menschen angetroffen werden – etwa in der Nabelschnur, im Rückenmark, in der Leber, im Gehirn, Muskeln, in der Bauchspeicheldrüse und selbst im Fettgewebe –, kommen embryonale Stammzellen nur im Embryo vor. Adulte Stammzellen lassen sich ohne Schaden aus einem Organismus gewinnen, sie sind ethisch unbedenklich. Für die Entnahme embryonaler Stammzellen muss dagegen der Embryo getötet werden. Das ist ethisch nicht akzeptabel.

Ein vollwertiger Mensch

In der Regel werden embryonale Stammzellen aus Embryonen gewonnen, die für eine künstliche Befruchtung erzeugt worden waren, dafür aber nicht mehr benötigt werden. Zum Zeitpunkt der Stammzellentnahme ist der Embryo vier bis fünf Tage alt und besteht aus rund 100 Zellen. Zu diesem Zeitpunkt hat er natürlich äußerlich noch keine Ähnlichkeit mit einem ausgewachsenen Menschen; manchen Forschern gilt er nur als „Zellhaufen“. Aus diesem Grund halten zahlreiche Wissenschaftler die Ablehnung, auf die eine Embryonen verbrauchende Stammzellforschung bei vielen Menschen – und vor allem bei Christen – stößt, für überzogen oder gar hysterisch. Das ändert aber nichts daran, dass es sich beim Embryo um einen vollwertigen Menschen in einem sehr frühen Stadium handelt. Genau deshalb hat man ja das Embryonenschutzgesetz in Deutschland eingeführt. Schließlich hat jeder Mann und jede Frau dieses 100-Zellen-Stadium durchlaufen – auch die, die heute Embryonen fürs Forschen töten.

Falsche Versprechen

Forscher erwecken darüber hinaus gerne den Eindruck, als ließen sich mit embryonalen Stammzellen wahre Wunder vollbringen – sie seien „Alleskönner“. So sieht der Amerikaner James A. Thompson, dem es 1998 als Erstem gelang, embryonale Stammzellen des Menschen im Labor dauerhaft zu kultivieren, in diesen Zellen eine unbegrenzte Quelle für gesunde Zelltypen, die etwa bei Herzinfarkt, Parkinson oder Leukämie helfen. Ähnlich vollmundig versprach Oliver Brüstle, der als erster Forscher in Deutschland mit menschlichen embryonalen Stammzellen zu arbeiten begann, „Nervenzellen für Parkinson-Patienten, Herzmuskulatur für Infarktopfer, Insulin bildende Zellen für Diabetiker und blutbildende Zellen für Leukämiekranke“. Einige Forscher scheuen nicht einmal konkrete Zeitangaben. So äußerte im Jahr 2004 der Stammzellforscher Robert Lanza, Medizinischer Direktor der Biotech-Firma „Advanced Cell Technology“, dass innerhalb von zwei Jahren Studien an Patienten beginnen könnten.

Nachweis für Heilung fehlt

Doch wie realistisch sind diese Heilungsversprechungen? Wer die Publikationen, in denen Forscher ihre Ergebnisse veröffentlichen, einer nüchternen Prüfung unterzieht, findet kaum Worte für die Skrupellosigkeit, mit der hier Vertreter der embryonalen Stammzellforschung bei kranken und leidenden Menschen Hoffnungen wecken. Denn bislang waren im Tierversuch solche Stammzellen Krankmacher, aber noch keine Heilmittel! Gisela Lotter-Badura vom Interfakultären Zentrum für Ethik in den Wissenschaften an der Universität Tübingen kommt in ihrer umfassenden Studie „Forschung an embryonalen Stammzellen“ zu dem vernichtenden Ergebnis: Für keine einzige Krankheit sei „bislang der Nachweis eines längerfristigen therapeutischen Effekts sicher nachgewiesen worden“. Daher werde „für jede einzelne Krankheit“ noch zu prüfen sein, „ob und wie eine Stammzelltherapie hilfreich sein kann“.

Alles etwas übertrieben

Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt eine Anfang des Jahres veröffentlichte Expertise der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages. Darin heißt es: „Die Potenziale der embryonalen Stammzellen werden in den Medien regelmäßig als sehr groß dargestellt und Anwendungen nicht selten binnen einiger Jahre in Aussicht gestellt.“ Tatsächlich kann davon jedoch keine Rede sein, wie die Ausarbeitung klarstellt: „In Anbetracht der Tatsache, dass noch keine klinische Studie begonnen wurde“, müsse davon ausgegangen werden, „dass eine medizinische Therapie mit embryonalen Stammzellen, wenn überhaupt, dann eher in einem Zeithorizont von 20 Jahren“ realisiert werden könnte.

Große Krebsgefahr

Embryonale Stammzellen haben sich in Tierversuchen bislang eher als schädlich erwiesen. Gewebe, das aus ihnen gewonnen wird, neigt dazu, im Organismus des Empfängers Tumore auszubilden. Das haben bereits 2003 Forscher des Kölner Max-Planck-Instituts für Neurologische Forschung in Versuchen mit Mäusen entdeckt. In über 75 Prozent der behandelten Mäuse wurden Tumore nachgewiesen. Wie einer der Autoren in einem Beitrag für das „Deutsche Ärzteblatt“ schrieb, handelt es sich bei der Tumorneigung embryonaler Stammzellen „um ein grundsätzliches Problem“. Ein Befund, der inzwischen mehrfach bestätigt wurde und so gravierend ist, dass der österreichische Krebsforscher Lukas Kenner von der Universität Wien zu dem Ergebnis kommt: „Außerhalb ihres natürlichen Umfeldes, des Embryos, sind embryonale Stammzellen Tumorzellen.“ Die Heilung mit embryonalen Stammzellen muss daher – für welche Krankheit auch immer – als völlig utopisch gelten.

Körper erkennt Gewebe nicht

Erschwerend kommt hinzu, dass aus embryonalen Stammzellen gezüchtetes Gewebe vom Organismus des Empfängers als fremd eingestuft wird. Im Falle einer Transplantation ist daher mit der Abstoßung des fremden Gewebes zu rechnen. Solche Stammzellen würden eine lebenslange Unterdrückung des Immunsystems erforderlich machen. Dabei sollen starke Medikamente verhindern, dass der Körper das Gewebe abstößt. Patienten müssten mit denselben Begleiterscheinungen leben, die auch mit der Organtransplantation verbunden sind: etwa einer massiven Infektionsgefahr und einer langfristigen Organvergiftung. Anders ist das bei adulten Stammzellen. Sie können im Idealfall vorher dem Empfänger entnommen werden.

„Man sollte nicht so tun, als hänge das Heil der Patienten an der Forschung mit embryonalen Stammzellen“, so der Vorsitzende des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie, Bernd Wegener (Berlin): „Medizinisch“ sei davon „nur in ganz wenigen Bereichen etwas zu erwarten“. Während die Verarbeitung embryonaler Stammzellen „aus Pharmasicht heute nicht relevant sei“, kämen „die wesentlichen Ansätze für neue Therapien“ aus dem Bereich „der adulten Stammzellen“, über den jedoch kaum jemand spreche.

Wogegen Peter Hahne und der Prinz von Preußen protestieren

Unter www.Deine-stammzellen-heilen.de hat der Bundesverband Lebensrecht jetzt ein Internetportal geschaffen, auf dem Prominente gegen eine Embryonen verbrauchende Stammzellforschung mobil machen – darunter von protestantischer Seite TV-Moderator und EKD-Ratsmitglied Peter Hahne sowie Prinz Philip von Preußen (beide Berlin). Dort wird auch über Heilungserfolge informiert, die mit den ethisch unproblematischen adulten Stammzellen längst erzielt worden sind. So therapiert etwa ein Forscherteam um den Düsseldorfer Medizinprofessor Bodo-Eckhard Strauer Herzinfarktpatienten seit Jahren äußerst erfolgreich mit adulten Stammzellen. Bei dem von Strauer 2001 entwickelten Verfahren werden Patienten körpereigene Stammzellen, die zuvor aus dem Knochenmark gewonnen wurden, über einen Ballonkatheter in die Infarktarterie gespritzt. Weltweit wurden rund 2.000 Patienten nach diesem Verfahren behandelt – bei akutem Infarkt, im chronischen Infarktstadium sowie bei schwacher Herzleistung. Herzerkrankungen gehören zu den häufigsten Krankheiten. Mehr als 50% aller Todesfälle lassen sich auf eine Schädigung dieses zentralen Organs zurückführen. „Die Therapie funktionierte bei allen Patienten“, so Strauer.

Erfolge mit adulten Zellen

Auch bei anderen Volkskrankheiten gibt es inzwischen Erfolge. Nach einer Behandlung mit körpereigenen Stammzellen konnten Diabetiker zeitweise auf Insulinspritzen verzichten. Wie Forscher der Universität von São Paulo im April berichteten, kamen 14 von 15 Patienten mit Typ-1-Diabetes vorübergehend ohne das Spritzen von Insulin aus, nachdem sie sich einer Zelltherapie mit adulten Stammzellen unterzogen hatten. Bei einem Zuckerkranken hält dieser Effekt sogar schon seit drei Jahren an. Seit vier Jahrzehnten finden adulte Stammzellen in der Therapie von Blutkrankheiten wie Leukämie und Lymphomen sowie bei Anämien und Immundefekten Verwendung. Dabei werden Patienten sowohl mit eigenen Stammzellen als auch mit den adulten Stammzellen passender Fremdspender behandelt. Im Jahr 2005 bekamen allein in Deutschland 2.600 Patienten im Rahmen einer Stammzelltherapie eigene Stammzellen transplantiert. 1.800 Patienten erhielten Stammzellen von einem fremden Spender.

Gesetz nicht aufweichen

Angesichts dieser Beobachtungen bleibt absolut unverständlich, warum die Wissenschaftler so vehement Zellen einfordern, für die Embryonen (also Kleinstkinder) sterben mussten, und warum die Erfolge mit adulten Stammzellen in der Öffentlichkeit so wenig wahrgenommen werden. Ethisch forscht offenkundig am besten. Deswegen darf die Stichtagsregelung nicht noch weiter aufgeweicht werden.

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