Symbolfoto, © Sebastian Ständecke, www.pixelquelle.de Treffen Christlicher Lebensrecht-Gruppen

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21.01.2006

Freie Fahrt fuer freie Forschung: Bioethik-Kommission Rheinland-Pfalz legt Bericht „zum Revisionsbedarf von Embryonenschutz- und Stammzellgesetz“ vor

Mainz (ALfA). Mit einem am 18. Januar veroeffentlichten Bericht „zum Revisionsbedarf von Embryonenschutz- und Stammzellgesetz“ hat die Bioethik-Kommission des Landes Rheinland-Pfalz eine neue Embryonenschutz-Debatte entfacht. In ihrem Papier mit 37 Thesen und acht Empfehlungen an den Gesetzgeber plaedierte die 15-koepfige Kommission aus Aerzten, Juristen und Moraltheologen unter Vorsitz des rheinland-pfaelzischen Justizministers Herbert Mertin (FDP) nach Beratung mit zahlreichen Sachverstaendigen fuer eine Lockerung der gesetzlichen Vorgaben in der Fortpflanzungsmedizin und in der Stammzellforschung. Mertin betonte in einer Pressemitteilung vom selben Tag, die Kommission wolle damit „der dringend notwendigen oeffentlichen Diskussion zum Thema Fortpflanzungsmedizin und Embryonenschutz ein sachliches Fundament geben.“

Konkret soll nach dem Willen des Gremiums die gesetzliche Verpflichtung aufgehoben werden, bei der kuenstlichen Befruchtung alle, bisher maximal drei, erzeugten Embryonen in die Gebaermutter zu transferieren. Diese Regelung erhoehe das Risiko der Mehrlingsschwangerschaften, so die Begruendung. In diesem Fall wuerden so genannte ueberzaehlige Embryonen entstehen. Weiters empfiehlt die Kommission, die Adoption von Embryonen zuzulassen, die nicht der genetischen Mutter uebertragen wurden, oder diese fuer die Forschung freizugeben. Da die Kommissionsmitglieder dem praenidativen Embryos nur ein "abgeschwaechtes Schutzniveau" im Vergleich zum geborenen Menschen zuerkennen, fordern sie auch, die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen ohne einschraenkende Stichtagsregelung zuzulassen, um "neue Heilungschancen fuer Patienten zuzulassen", so Mertin. Bislang ist diese Forschung nach bestehenden Gesetzen verboten und nur ausnahmsweise bei Stammzell-Linien erlaubt, die vor dem 1. Januar 2002 hergestellt worden sind. Ausserdem sollte laut Bericht auch das so genannte „therapeutische“ Klonen fuer die Stammzellenforschung sowie die umstrittene Praeimplantationsdiagnostik, d.h. die Untersuchung von Embryonen im Reagenzglas auf genetische Defekte nach der kuenstlichen Befruchtung, zugelassen werden.

Breite Ablehnung des Kommissionsberichts

Nach einem Bericht der „Welt“ vom 19. Januar haben nach Aussage von Justizminister Mertin die Ministerkollegen der rot-gelben Regierungskoalition im rheinland-pfaelzischen Kabinett die Thesen und Empfehlungen zur Kenntnis genommen, sich aber "nicht zu eigen gemacht". Eine gesetzgeberische Initiative werde es daher von Rheinland-Pfalz aus zunaechst nicht geben.

Auch die beiden grossen christlichen Kirchen der Pfalz haben Presseberichten vom 19. Januar zufolge energisch gegen die Empfehlung der Bioethik-Kommission des Landes protestiert, die gesetzlichen Vorgaben bei der kuenstlichen Befruchtung zu lockern. Die Vorschlaege der Kommission seien „unvereinbar mit dem christlichen Menschenbild und fundamentalen Grundsaetzen der Rechtsordnung“, habe der Speyerer Bischof Anton Schlembach mitgeteilt.

Beim CDU-Bundestagsabgeordneten Hubert Hueppe, ehemals Stellvertretender Vorsitzender der Enquete-Kommission “Ethik und Recht der modernen Medizin“ des deutschen Bundestages, stiessen die Vorschlaege aus Rheinland-Pfalz ebenfalls auf harsche Kritik. Die Kommission erliege der "gleichen Wunderglaeubigkeit, die den Starkult um den Klonforscher Woo Suk Hwang ermoeglicht hat", sagte Hueppe.

Heftige Kritik am Bericht uebte auch die Bundesvorsitzende der Aktion Lebensrecht fuer Alle (ALfA), Dr. med. Claudia Kaminski, am selben Tag in Koeln. „Von Embryonenschutz kann hier ueberhaupt keine Rede mehr sein. Denn in dem Dokument wird nicht weniger als die vollstaendige Abschaffung des Embryonenschutzes gefordert“, so die Aerztin.

Sie sei nach der Lektuere des 161 Seiten umfassenden Berichts "richtig schockiert" darueber, „mit welch einer scheinbaren Selbstverstaendlichkeit hier der schrankenlosen Vernutzung menschlichen Lebens das Wort geredet wird." Weiter monierte sie: „Die Forderungen der Kommission nach Aufhebung der Stichtagsregelung beim Stammzell-Import, nach Einfuehrung der Selektion genetisch und morphologisch auffaelliger Embryonen durch Zulassung der verbotenen Praeimplantationsdiagnostik (PID) und des so genannten Single Embryo Transfers (SET) sowie nach Freigabe verwaister Embryonen fuer die verbrauchende Forschung, nimmt nichts aus, und degradiert den menschlichen Embryo zu einer Sache, mit der offensichtlich beliebig verfahren werden koenne."

Die ALfA-Bundesvorsitzende warnte Politik und Medien davor, diesen Bericht "schoenzureden". „Wenn sich das hier offenbarte Denken durchsetzt, wird das auch fuer bereits geborene Menschen fatale Konsequenzen haben. Denn die Kommission vertritt mehrheitlich die Auffassung, dass die Menschenwuerde etwas sei, das dem Menschen nicht von Natur zukomme, sondern etwas, das andere ihm „zuschreiben“ oder eben ­ wie im Fall des praenidativen Embryos ­ auch nicht zuschreiben koennen. Wer diese Sicht uebernimmt, kann - abgesehen davon, dass sie falsch ist ­ nicht mehr garantieren, dass morgen nicht bereits dementen und inkontinenten Patienten, Menschen mit Behinderungen sowie ueberhaupt Menschen, die in irgendeiner Weise Kosten verursachen, die Menschenwuerde abgeschrieben werde“, so Kaminski.

Sie hielt es in diesem Zusammenhang zudem fuer "ueberaus aufschlussreich“, die beiden Sondervoten in dem Bericht zu studieren. Diese zeigen nach Meinung von Kaminski klar und deutlich, dass selbst Mitglieder der Kommission sich nicht des Eindrucks erwehren koennten, dass sich der die Beratungen treibende Gedanke auf die wirtschaftliche Verwertbarkeit des medizin-technisch Moeglichen gerichtet habe und es daher vor allem darum gegangen sei, jene ethischen und moralischen Huerden zu schleifen, die einer Gewinnmaximierung in den einschlaegigen Branchen noch im Weg stehen.


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Fortpflanzungsmedizin und Embryonenschutz / Bericht der Bioethik-Kommission des Landes Rheinland-Pfalz Mertin fordert neue gesetzliche Vorgaben fuer kuenstliche Befruchtung; / Praeimplantationsdiagnostik muss zugelassen werden; / Kommission fuer Stammzellforschung ohne Stichtagsregelung PRESSEMITTEILUNG Ministerium der Justiz, Rheinland-Pfalz 18.01.06 http://cms.justiz.rlp.de/justiz/sub/ff8/ff87e073-9 9ad-8013-3e2d-cf9f9d3490ff,,,fff70d73-d8a9-51fc-88 9b-3bb63b81ce4a.htm


"Fortpflanzungsmedizin und Embryonenschutz: Medizinische, ethische und rechtliche Gesichtspunkte zum Revisionsbedarf von Embryonenschutz- und Stammzellgesetz".
Bericht der Bioethik-Kommission des Landes Rheinland-Pfalz vom 12. Dezember 2005
164 Seiten (1,3 MB), veroeffentlicht vom Ministerium der Justiz Rheinland-Pfalz 18.01.2006
http://cms.justiz.rlp.de/justiz/nav/634/binarywrit erservlet?imgUid=09620dd6-e553-d801-33e2-dcf9f9d34 90f&uBasVariant=e7a67a83-14e2-4e76-acc0-b8da4911e8 59

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